Du sollst nicht sterben
Aber sie war die erste, die er wirklich gern getötet hätte.
Besser nicht. Man konnte Probleme bekommen, wenn man Leute tötete. Er hatte CSI und Im Auftrag der Toten und andere Fernsehsendungen über Rechtsmediziner gesehen. Daraus konnte man eine Menge lernen. Man konnte lernen, wie man eine blöde Frau wie diese tötete, mit ihrem blöden Haar und dem blöden schwarzen Nagellack und den Brüsten, die fast aus ihren scharlachroten Körbchen platzten.
Als er am Kreisverkehr vor dem Brighton Pier nach links in die Old Steine bog, verstummte sie plötzlich.
Er fragte sich, ob sie Gedanken lesen konnte.
94
Jetzt
Samstag, 17. Januar
Roy Grace arbeitete sich durch einen widerlich wabbligen und fast kalten Haufen Chow Mein mit Huhn und Krabben, den ihm ein wohlmeinender Polizeibeamter besorgt hatte. Wäre er nicht so furchtbar hungrig gewesen, wäre das Essen im Mülleimer gelandet. Seit der Schale Müsli am frühen Morgen hatte er jedoch nichts mehr gegessen und brauchte dringend Treibstoff.
In der Garage hinter dem Mandalay Court war alles ruhig geblieben, doch Anzahl und Qualität der Schlösser beunruhigten ihn nach wie vor. ACC Rigg war gern bereit gewesen, Darren Spicer Zugeständnisse zu machen, sofern er ihnen alles erzählte. Leider hatte Glenn ihn bislang nicht aufspüren können. Grace hoffte nur, dass der Serieneinbrecher kein makaberes Spielchen mit ihnen trieb.
Er schaufelte mit der Plastikgabel das Essen in sich hinein, während er das Rasterbild vor sich auf dem Bildschirm betrachtete. Alle Wagen und die fünfunddreißig Beamten seiner Operation waren mit Transpondern ausgestattet, die ihm ihre genaue Position verrieten. Er überprüfte alles und schaute sich dann die Bilder der Überwachungskameras an. Die Nachtsichtaufnahmen waren so klar, als wäre heller Tag. In der Stadt war einiges los. Am Vorabend waren die Leute zu Hause geblieben, doch an diesem Abend schienen viele feiern zu gehen.
Während er auf einer zähen Krabbe kaute, erwachte sein Funkgerät knisternd zum Leben. Eine aufgeregte Stimme rief: »Ziel eins gesichtet! Biegt rechts-rechts in die Edward Street!«
Ziel eins war der Codename für John Kerridge. Ziel zwei und weitere Nummern bezeichneten jeden weißen Lieferwagen oder verdächtig wirkenden Fußgänger.
Sofort schob Grace die Aluschale beiseite und holte sich die Bilder der Kamera an der Einmündung Edward Street und Old Steine auf einen Wandmonitor. Er sah ein Taxi Marke Peugeot Kombi in der türkis-weißen Aufmachung der örtlichen Taxifirma, das sich rasch außer Sicht bewegte.
»Ein weiblicher Fahrgast. Er fährt nach Ost-Ost!«
Kurz darauf fuhr ein kleiner Peugeot in dieselbe Richtung. Der Transponder zeigte an, dass es Zivilfahrzeug Nummer vier war.
Grace rief das nächste Bild auf und sah, wie das Taxi die Kreuzung Egremont Place passierte, ab der die Edward Street Eastern Road hieß.
Fast das gleiche Muster wie am vergangenen Abend, dachte Grace, und doch war diesmal etwas anders, das spürte er. Gleichzeitig dachte er mit Sorge daran, wie sehr er sich auf Proudfoots Urteil verlassen hatte.
Er rief den Silver Commander an. »Konnte uns die Taxigesellschaft das Fahrtziel sagen?«
»Nein, Chef, wir wollten sie nicht warnen, sonst erfährt der Fahrer noch davon. Wir haben genügend Wagen, um ihn im Blick zu behalten, sofern er im Gebiet bleibt.«
»Okay.«
Dann meldete sich eine weitere aufgeregte Stimme. »Er biegt rechtsrechts in die – wie heißt sie doch gleich, Montague, glaube ich. Ja, Montague! Er hält an! Die hintere Tür öffnet sich! Sie steigt aus! Oh, mein Gott, sie rennt weg!«
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Jetzt
Samstag, 17. Januar
Er war am frühen Nachmittag gekommen, um sich einen Parkplatz an einer Parkuhr in der Nähe ihrer Wohnung zu sichern. Einen Parkplatz, an dem sie vorbeigehen müsste, wenn sie vom Kickboxen kam.
Doch es war keiner frei gewesen. Also hatte er am Ende der Straße im Parkverbot gewartet.
Das Gebiet südlich der Eastern Road war ein Labyrinth schmaler Straßen mit zwei- und dreistöckigen Reihenhäusern aus der viktorianischen Zeit, die bei Studenten und Singles sehr beliebt waren. Es lag im Herzen des Schwulenviertels. Schilder von Immobilienmaklern warben für Wohnungen, die verkauft oder vermietet wurden. Die meisten Autos, die auf der Straße parkten, waren klein und ziemlich alt.
Er musste über eine Stunde warten, bis um halb vier zu seiner Erleichterung ein rostiger alter Landcruiser wegfuhr und ihm seine Parklücke vermachte. Sie war
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