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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Organisten. (Leer). Friedhofsgebühr. (Leer). Gebühr für den Geistlichen. (Angekreuzt).
    Begräbnis am: 12. Januar 1998, 11.00 Uhr. Lawn Memorial Cemetery, Woodingdean.
     
    Wie gebannt las er den Vordruck wieder und wieder.
    Fieberhaft erinnerte er sich an die Ermittlung vor zwölf Jahren. An eine verkohlte Leiche auf einem Autopsietisch im städtischen Leichenschauhaus. An eine verkohlte weibliche Leiche, deren sterbliche Überreste man in einem ausgebrannten Ford Transit gefunden hatte. Sie war nie identifiziert worden. Man hatte sie wie üblich zwei Jahre im Leichenschauhaus aufbewahrt und danach auf Staatskosten auf dem Friedhof von Woodvale bestattet.
    Während seiner Laufbahn bei der Polizei hatte er viele schreckliche Dinge gesehen, die meisten aber verarbeiten können. Es gab nur einige wenige, die ihn bis an sein Lebensende begleiten würden. So hatte er lange geglaubt, dass er das Geheimnis um die alte Dame niemals lüften würde. Doch als er nun in der schäbigen Garage stand, fügten sich die Teile endlich zusammen.
    Molly Winifred Glossop.
    Er ahnte, was aus ihr geworden war.
    Wer aber war dann am Montag, dem 12. Januar 1998, um 11.00 Uhr auf dem Lawn Memorial Cemetery in Woodingdean bestattet worden?
    Er war sich verdammt sicher, dass er die Antwort kannte.

103
Jetzt
Sonntag, 18. Januar
    Wieder hörte Jessie im Halbdunkel das Vibrieren ihres Handys. Ihr Mund war staubtrocken, und sie hatte keine Ahnung, wie spät es war. Ein ganz blasser grauer Lichtschimmer war zu erkennen. Dämmerte es? Dann und wann fiel sie in einen unruhigen Halbschlaf, bevor die Panik sie wieder weckte. Sie rang nach Luft, konnte kaum durch die verstopfte Nase atmen.
    Sie hatte schreckliche Schmerzen in den Schultern, weil ihre Arme so weit ausgestreckt waren. Um sie herum ertönten Geräusche. Scheppern, Knirschen, Hämmern, Mahlen. Mit jedem neuen Geräusch kehrte die Angst zurück, dass sich der Mann in eben diesem Moment von hinten anschleichen könnte. In ihrem Kopf wirbelten verworrene Gedanken durcheinander. Was wollte er von ihr?
    Sie musste an die Horrorfilme denken, die ihr solche Angst eingejagt hatten. Sie versuchte, sie auszublenden, an glückliche Zeiten zu denken, an ihren letzten Urlaub mit Benedict auf Naxos. An die Hochzeit, von der sie gesprochen hatten, ihre gemeinsame Zukunft.
    Wo bist du jetzt, Benedict?
    Das Vibrieren dauerte an. Dann verstummte das Handy, als sich die Mailbox meldete. Hatte sie eine Nachricht erhalten? Von Benedict? Von ihren Eltern? Wieder und wieder versuchte sie verzweifelt, sich von den Fesseln zu befreien. Sie warf sich hin und her, um wenigstens eine Hand frei zu bekommen, stieß sich aber nur schmerzhaft und riss ihre Schultern fast aus den Gelenken. Sie warf sich in die Luft und prallte wieder auf den harten Boden, bis sie völlig erschöpft war.
    Sie konnte nur noch resigniert daliegen. Der feuchte Fleck zwischen ihren Beinen wurde kalt und begann zu jucken. Ihre Wange juckte auch, sie sehnte sich verzweifelt danach, sich zu kratzen. Die ganze Zeit kämpfte sie gegen die Galle, die ihr immer wieder in die Kehle stieg und an der sie ersticken würde, wenn sie sich mit zugeklebtem Mund erbrach.
    Sie schrie wieder, die Augen wund vom Salz der Tränen.
    Bitte, helft mir, irgendjemand muss mir doch helfen.
    Einen Augenblick lang fragte sie sich, ob sie einfach erbrechen und daran sterben sollte. Schluss machen, bevor der Mann zurückkehrte und irgendwelche furchtbaren Dinge mit ihr tat. Sie könnte ihm wenigstens diese Befriedigung versagen.
    Stattdessen dachte sie mit letzter Kraft und Vertrauen an den Mann, den sie liebte. Sie schloss die Augen und betete zum ersten Mal seit sehr langer Zeit. Es dauerte eine Weile, bevor ihr die Worte wieder einfielen.
    Als sie geendet hatte, klingelte erneut ihr Handy. Das übliche viermalige Klingeln, bevor es verstummte. Dann hörte sie ein neues Geräusch.
    Ein Geräusch, das sie erkannte.
    Ein Geräusch, das sie erstarren ließ.
    Das Dröhnen eines Motorrads.

104
Jetzt
Sonntag, 18. Januar
    Der Coroner für die Stadt Brighton and Hove war eine taffe Frau, die ihren Untergebenen wie auch einigen gestandenen Polizeibeamten ganz schön Angst einjagen konnte, wenn sie schlechter Laune war. Grace wusste aber auch, dass sie gesunden Menschenverstand und Mitgefühl besaß, und er hatte bis zu diesem Augenblick nie Probleme mit ihr gehabt.
    Vielleicht lag es daran, dass er sie nach Mitternacht zu Hause angerufen hatte. Sie klang ziemlich schläfrig

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