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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben
Autoren: Peter James
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am Straßenrand. Durch das Rückfenster konnten sie den Insassen erkennen, eine Frau. Sie drehte sich besorgt zu ihnen um.
    Upperton schaltete die Sirene aus, ließ aber Blaulicht und Warnblinker an.
    Die Frau ließ das Fenster ein Stück hinunter und schaute ihn nervös an. Er schätzte sie auf Anfang vierzig, dichtes, lockiges Haar und ein strenges, aber nicht unattraktives Gesicht. Ihr Lippenstift war ungeschickt aufgetragen und die Wimperntusche verlaufen, als hätte sie geweint. »Tut mir leid«, nuschelte sie, »war wohl ein bisschen schnell.«
    Upperton beugte sich vor, um ihren Atem zu riechen, und wich rasch zurück. Hätte er ein Streichholz entzündet, wären vermutlich Flammen aus ihrem Mund geschlagen. Im Wagen stank es außerdem nach Zigaretten. »Sie sehen schlecht, Madam?«
    »Nein, hm, nein, ich war kürzlich noch beim Test. Ich sehe ausgezeichnet.«
    »Dann überholen Sie also immer Polizeiautos mit überhöhter Geschwindigkeit?«
    »Mist, habe ich das? Ich habe Sie nicht gesehen! Tut mir leid – ich hatte gerade Streit mit meinem Ex-Mann – wir haben eine gemeinsame Firma. Und ich –«
    »Haben Sie getrunken, Madam?«
    »Nur ein Glas Wein, zum Mittagessen. Nur ein kleines Glas.«
    Sie roch eher, als hätte sie eine ganze Flasche Weinbrand geleert. »Würden Sie bitte den Motor ausschalten und aussteigen? Ich muss Sie um einen Alkoholtest ersuchen.«
    »Sie werden mich doch nicht aufschreiben, oder?«, nuschelte sie noch stärker als zuvor. »Ich brauche das Auto nämlich für die Arbeit. Ich hab schon ein paar Punkte.«
    Kein Wunder, dachte er.
    Sie löste den Sicherheitsgurt und stieg wankend aus. Upperton musste den Arm ausstrecken, damit sie nicht auf die Straße stolperte. Eigentlich brauchte sie gar nicht zu blasen. Wenn er sich ihr mit dem Gerät auf zwanzig Meter näherte, würde die Anzeige explodieren.

16
März 1979
    »JOHNNY!«, brüllte seine Mutter aus dem Schlafzimmer. »Hör auf!
    Hör auf mit dem Lärm! Hörst du mich?«
    Er stand in seinem Zimmer auf einem Stuhl und zog einen weiteren Nagel zwischen den Lippen hervor, drückte ihn an die Wand und schlug mit seinem Klauenhammer darauf. Bumm! Bumm! Bumm!
    »JOHNNY, VERDAMMT NOCHMAL, HÖR MIT DEM LÄRM AUF! SOFORT! HÖR AUF!« Mittlerweile kreischte sie.
    Auf dem Boden lag exakt angeordnet seine geliebte Sammlung von Ketten für Toilettenspülkästen. Insgesamt fünfzehn. Er hatte alle im Müll gefunden bis auf zwei, die er aus Toiletten gestohlen hatte.
    Er zog den nächsten Nagel aus dem Mund. Brachte ihn in Position. Holte mit dem Hammer aus.
    Seine Mutter stürzte ins Zimmer, umwogt von einer Shalimar-Wolke. Sie trug ein schwarzes Seidenmieder, Netzstrümpfe, die noch nicht an den Haltern befestigt waren, grelles Make-up und eine blonde Lockenperücke, die leicht schief saß. Sie stand auf einem schwarzen Pfennigabsatz und hielt den anderen Schuh wie eine Waffe in der erhobenen Hand. »HÖRST DU MICH NICHT?«
    Er ignorierte sie und fing an zu hämmern.
    »SCHEISSE, BIST DU TAUB, JOHNNY?«
    »Ich bin nicht Johnny«, murmelte er zwischen den Nägeln hindurch und hämmerte weiter. »Ich bin Jak. Ich muss meine Ketten aufhängen.«
    Sie hielt den Schuh an der Kappe und rammte ihm den spitzen Absatz in den Oberschenkel. Er jaulte auf wie ein geprügelter Hund und stürzte seitlich zu Boden. Schon kniete sie über ihm und ließ mit dem scharfen Absatz Schläge auf ihn niederregnen. »Du bist nicht Jak, du bist Johnny, verstanden? Johnny Kerridge.« Sie schlug ihn erneut und wieder und wieder.
    »Ich bin Jak! Das hat der Arzt gesagt!«
    »Das hat der Arzt nicht gesagt, du dämlicher Kerl! Du hast deinen Vater aus dem Haus getrieben, und jetzt treibst du mich in den Wahnsinn!«
    »Der Arzt hat Jak geschrieben!«
    »Das war eine Abkürzung. Er hat junges autistisches Kind in seine verdammten Notizen geschrieben. Das bist du nämlich. Ein junges nutzloses beschissenes autistisches Kind! Du bist Johnny Kerridge, kapiert?«
    »Ich bin Jak!« Er rollte sich schützend zu einer Kugel zusammen, während sie den Schuh schwang. Seine Wange blutete, wo sie ihn getroffen hatte. Er atmete ihr üppiges, schwüles Parfum ein. Sie hatte eine große Flasche davon auf der Frisierkommode stehen und ihm einmal gesagt, es sei das klassischste Parfum, das eine Frau tragen könne, und er solle stolz sein, dass seine Mutter so viel Klasse habe. Im Augenblick war von Klasse jedoch nichts zu merken.
    Sie wollte erneut ausholen, als es an der Tür
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