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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben
Autoren: Peter James
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Zeug, klapperte und schabte über den Boden.
    Sie drückte die Dose gegen die Wand des Lieferwagens. Drückte dagegen, spürte, wie sie sich bewegte, drehte sie herum, bis die Öffnung auf sie gerichtet war. Dann presste sie sich gegen die scharfe Kante. Sie drückte stärker, doch die Dose rutschte weg.
    »Tu mir das nicht an!«
    Sie wand und drehte sich, bis sie wieder die scharfe Kante der Öffnung spürte, und drückte dagegen, zuerst sanft, dann fester, bis sie sie sicher verkeilt hatte. Dann rieb sie langsam von rechts nach links, von rechts nach links, eine ganze Ewigkeit. Plötzlich gab der Druck in ihren Armen minimal nach.
    Genug, um ihr neue Hoffnung zu verleihen.
    Sie wand und drehte sich und rieb weiter. Atmete durch die Nase. Atmete den giftigen, schwindelerregenden Gestank des Dieselöls ein. Er drang ihr in Gesicht und Haare und den ganzen Körper.
    Die Fesseln gaben noch ein bisschen nach.
    Dann hörte sie ein lautes, metallisches Scheppern und erstarrte. Bitte nicht. Es klang, als öffnete jemand das Garagentor. Sie rollte sich auf den Rücken und hielt die Luft an. Kurz darauf wurden die hinteren Türen des Lieferwagens geöffnet. Eine Taschenlampe blendete sie. Sie blinzelte. Spürte seinen Blick. Lag vor Entsetzen erstarrt da und fragte sich, was er tun würde.
    Er stand nur schweigend da. Sie hörte ihn schwer atmen. Sie wollte nach Wasser rufen, doch kein Laut drang aus ihrer Kehle.
    Dann ging das Licht wieder aus.
    Die Türen wurden zugeschlagen. Ein lautes Scheppern, das Garagentor fiel zu.
    Stille.
    Sie horchte, unsicher, ob er noch drinnen war. Sie horchte lange, bevor sie ihre Fesseln wieder an der Öffnung rieb. Sie spürte, wie sie in ihr Fleisch schnitt, doch das war ihr egal. Denn bei jedem Reiben gaben die Fesseln, mit denen ihre Arme am Körper gehalten wurden, ein wenig mehr nach.

18
Jetzt
Samstag, 3. Januar
    Garry Starling und seine Frau Denise gingen seit zwölf Jahren fast jeden Samstagabend ins China Garden Restaurant. Ihr bevorzugter Tisch befand sich gleich hinter der Treppe, etwas rechts vom Hauptrestaurant. Hier hatte Garry ihr vor fast zwölf Jahren einen Heiratsantrag gemacht.
    Der Tisch war durch ein Geländer vom übrigen Raum getrennt und bot somit eine gewisse Privatsphäre. Da Denise zunehmend trank, konnten sie hier sitzen, ohne dass die anderen Gäste ihre endlosen Tiraden miterleben mussten, die sich meist gegen ihren Mann richteten.
    Gewöhnlich war sie schon betrunken, bevor sie von zu Hause weggingen, vor allem seit der Einführung des Rauchverbots. Sie leerte fast eine ganze Flasche Weißwein und rauchte mehrere Zigaretten dazu, obwohl er sie seit Jahren drängte, sie solle aufhören. Dann wankte sie zum wartenden Taxi. Im Barbereich des Restaurants kippte Denise einen, oft auch zwei Cosmopolitans, bevor sie an ihren Tisch gingen.
    Danach legte sie meist erst richtig los und listete all die Fehler auf, die sie an ihrem Ehemann beobachtete. Manchmal waren es die alten, manchmal auch neue. An Garry perlte das Gerede ab wie Wasser, er blieb gelassen und emotionslos, was Denise nur noch mehr auf die Palme brachte. Er sei ein Kontrollfreak, erzählte sie. Und außerdem ein beschissener Fitnessfreak.
    Maurice und Ulla Stein, mit denen sie normalerweise herkamen, waren ebenfalls starke Trinker und längst an Denises Tiraden gewöhnt. Sie nahmen sie einfach so hin. Außerdem stand es mit ihrer Beziehung auch nicht gerade zum Besten.
    An diesem ersten Samstag des neuen Jahres waren Denise, Maurice und Ulla besonders durstig; der Kater vom Silvesterabend, im Metropole Hotel, war nur noch eine ferne Erinnerung.
    Man hatte ihnen soeben die dritte Flasche Sauvignon serviert. Als Denise ihr Glas hob, warf sie einen Blick zu Garry, der zum Telefonieren nach draußen gegangen war und gerade sein Handy einsteckte.
    Er war schmächtig gebaut, hatte ein ernstes Gesicht und kurzes, gepflegtes graumeliertes Haar, das allmählich schütter wurde. Seine großen runden Augen unter den gebogenen Brauen hatten ihm in der Schule den Spitznamen Eule eingetragen. Nun, in mittleren Jahren, trug er eine kleine randlose Brille, einen dezenten Anzug mit dezentem Hemd und dezenter Krawatte und wirkte wie ein Wissenschaftler, der die Welt um sich herum mit erstaunter Verachtung beobachtet, als wäre sie ein nicht ganz zufriedenstellendes Experiment aus seinem Labor.
    Im Gegensatz zu ihrem Mann war Denise, eine ehemals schlanke Blondine mit sexy Figur, in jüngster Zeit aus dem Leim gegangen.
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