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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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habe, glaube ich nicht daran. Eine Sache erscheint mir allerdings bedeutsam: Ein Nachbar schaute zufällig um drei Uhr morgens aus dem Fenster und sah, wie ein Mann eine Frau in einen weißen Lieferwagen stieß. Die Uhrzeit passt perfekt.«
    »Hat er das Kennzeichen erkannt?«
    »Nur einen Teil. Er war besoffen.«
    »Reichte es aus, um das Fahrzeug zu identifzieren?«
    »Nein.«
    »Glaubst du ihm?«
    »Ja, bis heute.«
    »Das ist nicht gerade viel, oder?«, meint Jim Doyle.
    »Nein, aber etwas ist merkwürdig. Ich bin heute Morgen extra früh gekommen, um mir die Akte vor unserer Besprechung noch einmal anzusehen. Und wisst ihr was?«
    Sie schüttelten den Kopf.
    »Die Seiten, nach denen ich gesucht habe, fehlten.«
    »Wer würde die entfernen?«, fragte Brian Foster. »Ich meine, wer hat überhaupt Zugang dazu?«
    »Sag du es mir, du bist doch Polizist«, meinte Grace. »Und ich wüsste auch gern den Grund.«

25
Jetzt
Montag, 5. Januar
    Vielleicht war es Zeit aufzuhören.
    Im Gefängnis alterte man schneller. Es raubte einem glatt zehn Jahre. Das drückte ganz schön auf die Stimmung, dachte Darren Spicer.
    Seit er sechzehn war, hatte er eine Menge Zeit im Knast verbracht. Sie nannten ihn den Drehtür-Gefangenen. Er war Berufsverbrecher. Leider kein erfolgreicher. Als Erwachsener hatte er Weihnachten nur zweimal in Folge als freier Mann verbracht, das war am Anfang seiner Ehe gewesen. Laut seiner Geburtsurkunde, der echten, war er einundvierzig. Im Badezimmerspiegel war er fünfundfünfzig. Und er fühlte sich wie achtzig. Tot. Er fühlte Nichts.
    Er seifte sich ein und stierte mit dumpfem Blick in den Spiegel, verzog das Gesicht angesichts des faltigen Kerls, der ihm entgegenstarrte. Er war nackt. Seinen schlaksigen, mageren Körper – den er gern als schlank bezeichnete –, hatte er mit täglichem Training im Fitnessraum des Gefängnisses gestählt.
    Er machte sich mit derselben stumpfen Klinge, die er schon in den Wochen vor seiner Entlassung benutzt hatte, an die harten Bartstoppeln. Als er fertig war, war sein Gesicht ebenso glatt wie der Rest seines Körpers. Den hatte er vor zehn Tagen rasiert. Das machte er immer, wenn er aus dem Gefängnis kam. Ganz zu Anfang seiner längst gescheiterten Ehe war er nämlich mit Filzläusen in Scham- und Brusthaar nach Hause gekommen.
    Er hatte zwei kleine Tattoos auf den Oberarmen, sonst nichts. Viele Mitinsassen waren von oben bis unten tätowiert und empfanden einen gewissen Macho-Stolz darauf. Für ihn war dieser Macho-Stolz hirnlos. Warum sollte man es den Leuten leichter machen, einen zu identifizieren? Außerdem hatte er bereits genügend unveränderliche Kennzeichen – fünf Narben auf dem Rücken, wo ihn vor Jahren die Gefolgsleute eines Dealers, den er über den Tisch gezogen hatte, im Gefängnis niedergestochen hatten.
    Die letzte Strafe war seine längste gewesen, sechs Jahre. Nach drei Jahren war er endlich auf Bewährung freigekommen. Zeit zum Aufhören, dachte er. Ja, aber …
    Das große Aber.
    Eigentlich sollte man sich frei fühlen, wenn man aus dem Gefängnis kam. Doch nun musste er sich bei seinem Bewährungshelfer melden. Zur Umschulung. Er musste sich an die Regeln der Absteigen halten, in denen er unterkam. Eigentlich müsste man nach Hause gehen, wenn man aus dem Gefängnis kam.
    Aber er hatte kein Zuhause.
    Sein Vater war schon lange tot, und mit seiner Mutter hatte er seit fünfundzwanzig Jahren kein Wort mehr gesprochen. Mags, seine einzige Schwester, war vor fünf Jahren an einer Überdosis Heroin gestorben. Seine Ex-Frau lebte mit seinem Sohn, den er seit zehn Jahren nicht gesehen hatte, in Australien.
    Zuhause war, wo immer er einen Schlafplatz fand. Diesmal war es ein Zimmer in einer Absteige nahe der Old Steine in Brighton. Er teilte es mit vier jämmerlichen, stinkenden Säufern. Er war früher schon hier gewesen. Heute wollte er versuchen, etwas Besseres zu finden. Das St. Patricks Obdachlosenheim. Da gab es anständiges Essen und eine Möglichkeit, seine Sachen unterzubringen. Man musste zwar in einem Schlafsaal übernachten, aber der war sauber. Dort wollte man den Leuten helfen, nach der Entlassung wieder in der Gesellschaft Fuß zu fassen. In Wirklichkeit wollte einen die Gesellschaft aber gar nicht haben. Resozialisierung war ein Mythos. Doch er spielte das Spiel einfach mit.
    Umschulung!
    Von wegen! An einer Umschulung war er nicht interessiert, hatte sich aber willig gezeigt, während er sich in den letzten sechs Monaten im Ford

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