Du sollst nicht sterben
hatte etwa eine Woche vor ihrem Verschwinden ein teures Paar Schuhe in einem Laden in Brighton gekauft. Alle Opfer des Schuh-Diebs hatten, kurz bevor sie überfallen wurden, ein teures Paar Schuhe gekauft. Die Operation Houdini überprüfte damals sämtliche Schuhgeschäfte in der Stadt, fand aber keine brauchbaren Spuren.«
»Gab es damals schon eine Analyse der Überwachungskameras?«, wollte Bella Moy wissen.
»Ja. Aber die Qualität war nicht so gut und das Netz nicht so flächendeckend wie heute.«
»Welche Theorien gibt es, warum der Schuh-Dieb aufgehört hat?«, fragte Michael Foreman.
»Wir haben keine. Der damalige Profiler Julius Proudfoot sagt, er könne ins Ausland gezogen sein. Oder wegen eines anderen Vergehens im Gefängnis sitzen. Oder gestorben sein. Möglicherweise habe er auch eine Beziehung geknüpft, die seine Bedürfnisse befriedige.«
»Warum sollte diese Person zwölf Jahre lang nichts tun und plötzlich wieder aktiv werden?«, warf Bella Moy ein. »Zudem mit einer leicht veränderten Vorgehensweise.«
»Proudfoot gibt nicht viel auf die Unterschiede in den Trophäen. Ihn interessiert mehr, dass sich die Vorgehensweisen insgesamt so ähnlich sind. Seiner Ansicht nach könnte es verschiedene Erklärungen dafür geben, dass ein Täter seine Aktivität wieder aufnimmt. Falls es sich um den Schuh-Dieb handelt, könnte er einfach wieder hergezogen sein, weil seiner Ansicht nach genügend Zeit vergangen ist. Oder seine Beziehung erfüllt nicht länger seine Bedürfnisse. Oder er wurde aus dem Gefängnis entlassen.«
»Muss etwas ganz schön Ernsthaftes gewesen sein, wenn er zwölf Jahre gesessen hat«, meinte Glenn Branson.
»Und leicht zu recherchieren«, erwiderte Grace und wandte sich an Ellen Zoratti. »Haben Sie noch andere Vergewaltigungsfälle mit ähnlichen Vorgehensweisen in der Gegend gefunden? Oder Fälle, in denen jemand für zwölf Jahre verknackt wurde?«
»Nur in Leicester habe ich einen Mann namens James Lloyd gefunden, der Frauen vergewaltigt und ihre Schuhe mitgenommen hat, Sir. Er befindet sich zurzeit in Haft. Ich habe sämtliche Vergehen und seine Bewegungen überprüft und konnte ihn ausschließen. Er war in Leicester, als die Straftaten in Brighton begangen wurden, und mir liegt eine Bestätigung vor, dass er lebenslänglich einsitzt. Ich habe eine Liste aller Sexualstraftäter aufgestellt, die nach Januar 1998 eingewiesen und vor diesem Silvesterabend entlassen wurden.«
»Danke, Ellen, das ist sehr hilfreich.« Nun wandte sich Grace an das gesamte Team. »Es ist eine Tatsache, dass ein großer Prozentsitz von Fremdvergewaltigern mit geringeren Vergehen beginnt. Exhibitionismus, sich an Frauen reiben, öffentliches Masturbieren. Es ist durchaus denkbar, dass unser Täter in jungen Jahren für ein derartiges geringeres Vergehen verhaftet wurde. Ich habe Ellen gebeten, die örtlichen und landesweiten Datenbanken auf Täter und Straftaten zu überprüfen, die ins zeitliche Schema passen. Beispielsweise Diebstahl von oder anstößige Handlungen mit Damenschuhen. Außerdem möchte ich, dass sämtliche Prostituierten und Dominas in der Gegend nach Kunden befragt werden, die Schuh- oder Fußfetischisten sein könnten.« Er wandte sich an Glenn Branson.
»Im Zusammenhang damit hat DS Branson Dr. Proudfoots Bericht über den Schuh-Dieb gelesen – was kannst du uns darüber sagen, Glenn?«
»Das ist vielleicht ein Schmöker!« Glenn griff nach einem schweren Dokument. »282 Seiten Verhaltensanalyse. Ich konnte es nur überfliegen, da mir der Chef die Aufgabe erst heute übertragen hat, aber eines ist sehr interessant. Es wurden fünf Straftaten angezeigt, die unmittelbar mit dem Schuh-Dieb in Verbindung gebracht wurden, doch Dr. Proudfoot vertritt die Ansicht, er habe möglicherweise weitaus mehr Taten begangen, die nicht angezeigt wurden.« Er hielt einen Augenblick inne. »Wie es aussieht, sind viele Vergewaltigungsopfer derart traumatisiert, dass sie es nicht über sich bringen, den Täter anzuzeigen. Noch interessanter ist aber dies hier: Die erste angezeigte Vergewaltigung im Jahre 1997 erfolgte im Grand Hotel nach einem Halloween-Ball. Er lockte eine Frau in ein Zimmer. Kommt euch das bekannt vor?«
Im Raum herrschte unbehagliches Schweigen. Das Grand Hotel lag genau neben dem Metropole.
»Und das ist noch nicht alles«, fuhr Branson fort. »Das Zimmer im Grand Hotel wurde von einer Frau auf den Namen Marsha Morris gebucht. Sie bezahlte bar. Alle Versuche, sie
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