Du sollst nicht sterben
schlecht bezahlte Stelle an, bei der sie jedoch sehr glücklich war. Sie arbeitete als Krankenschwester und Beraterin in einer Drogenberatungsstelle in der Stadtmitte.
Ein Job ohne Aufstiegschancen. Nichts, für das sich ihre Eltern begeistern konnten. Andererseits bewunderten sie ihr Engagement, keine Frage. Sie waren stolz auf sie. Und sie freuten sich darauf, eines Tages auch stolz auf einen Schwiegersohn zu sein. Sie gingen wie selbstverständlich davon aus, dass er gut verdienen und ihrer Tochter das Leben bieten würde, das sie gewöhnt war.
Was bei Benedict natürlich ein Problem darstellte.
»Ich möchte sie wirklich gerne kennenlernen. Das weißt du doch.«
Sie nickte und ergriff seine Hand. »Ihr werdet euch nächste Woche auf dem Ball kennenlernen. Ich bin mir sicher, mit deinem Charme wirst du sie um den Finger wickeln.«
Ihr Vater war Vorsitzender einer großen Wohltätigkeitsorganisation, die Spenden für jüdische Projekte in aller Welt sammelte. Er hatte einen Tisch beim Wohltätigkeitsball im Metropole Hotel gebucht, zu dem sie jemanden mitbringen durfte.
Jessie hatte sich bereits ein Kleid gekauft, zu dem ihr nur noch die passenden Schuhe fehlten. Sie konnte ihren Vater jederzeit um das Geld bitten, er würde sich sogar darüber freuen. Doch sie konnte sich nicht überwinden. Vorhin hatte sie bei Marielle ein Paar Schuhe von Anya Hindmarch entdeckt, die im Preis reduziert waren. Ungeheuer sexy und gleichzeitig klassisch. Schwarzes Wildleder, dreizehn Zentimeter hohe Absätze, Knöchelriemen und offen an den Zehen. 250 Pfund waren allerdings immer noch eine Menge Geld. Sie hoffte, dass der Preis vielleicht weiter sinken würde. Falls jemand sie ihr wegschnappte, Pech gehabt. Dann würde sie eben andere finden. In Brighton herrschte ja kein Mangel an Schuhgeschäften!
Ein Mann hatte an diesem Tag bei Deja Shoes in Kensington Gardens direkt hinter ihr gestanden und war ganz ihrer Meinung gewesen. Er hatte gehört, wie sie der Verkäuferin sagte, sie suche etwas, das klassisch und sexy zugleich sei, weil sie mit ihrem Verlobten in der kommenden Woche zu einer wichtigen Veranstaltung eingeladen sei. Auch bei Marielle Shoes hatte er hinter ihr gestanden.
Die schwarzen Wildlederschuhe, die sie leider nicht gekauft hatte, waren wirklich sexy gewesen. Ungeheuer sexy.
Viel zu sexy, um ihre Reize an einen Verlobten zu verschwenden.
Er hoffte aufrichtig, dass sie zurückkehren und sie kaufen würde. Dann könnte sie sie nur für ihn tragen!
50
Jetzt
Samstag, 10. Januar
Auf dem Display in Jaks Taxi stand zu lesen:
China Garden Rest. Preston St. 2 Pass. Starling. Ziel Roedean Cresc. Es war 23.20 Uhr. Er parkte schon einige Minuten und hatte den Taxameter eingeschaltet. Der Mann, dem das Taxi gehörte, hatte gesagt, er solle nur fünf Minuten warten, bevor er ihn einschaltete. Jak wusste nicht, wie genau seine Uhr ging, und wollte fair zu den Fahrgästen sein. Also räumte er ihnen noch weitere zwanzig Sekunden ein.
Starling. Roedean Crescent.
Die hatte er doch schon einmal mitgenommen. Er vergaß keinen Fahrgast, und vor allem nicht diese beiden. 67 Roedean Crescent. Das hatte er sich gemerkt. Sie benutzte Shalimar. Genau wie seine Mutter. Auch das hatte er sich gemerkt. Sie hatte Schuhe von Bruno Magli getragen. Größe 37. Genau wie seine Mutter.
Er fragte sich, welche Schuhe sie heute Abend tragen würde.
Seine Erregung wuchs, als die Restauranttür aufging und das Paar heraustrat. Der Mann hielt sich an der Frau fest, er schien nicht sicher auf den Beinen. Sie half ihm die Treppe hinunter auf den Gehweg, und er klammerte sich immer noch an sie, während sie im böigen Wind auf Jaks Taxi zukamen.
Doch Jak schaute nicht den Mann an. Er betrachtete die Schuhe der Frau. Schöne Schuhe. Hohe Absätze. Riemchen. Genau seine Art von Schuh.
Mr Starling spähte durchs Fenster, das Jak geöffnet hatte. »Taxi zum Roedean Crescent? Für Starling?«, nuschelte er. Er hörte sich ebenso betrunken an, wie er aussah.
Der Mann, dem das Taxi gehörte, sagte, er müsse keine betrunkenen Fahrgäste mitnehmen, vor allem nicht, wenn sie sich jeden Augenblick übergeben konnten. Es war sehr teuer, Erbrochenes aus dem Taxi zu entfernen, da es überall eindrang, in die Schlitze von Lüftung, elektrischen Fensterhebern und Sitzen. Die Leute stiegen nicht gerne in ein Taxi, das nach abgestandener Kotze roch. Und es war auch nicht schön, eins zu fahren.
Allerdings war es bisher ein ruhiger Abend gewesen. Der Mann,
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