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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Herzschrittmachers. Gebühr für die Einäscherung. Gebühr für den Totengräber. Druckkosten für die Totenzettel. Blumen. Todesanzeige. Sarg. Behälter für Überreste.
    Er überflog rasch den ersten Bogen. Das war nicht gut, das Kästchen Einbalsamierung warangekreuzt. Das Gleiche galt für die nächsten vier Toten. Ihm wurde flau. Sie waren einbalsamiert und würden erst gegen Ende der Woche begraben.
    Doch bei der fünften hatte er Glück.
    Molly Winifred Glossop. Letzter Wohnsitz: 77 North Gardens, Brighton. Familienstand: verwitwet. Bestattung: 12. Januar 1998, 11.00 Uhr.
    Montagmorgen!
    Fieberhaft las er weiter. Erdbestattung. Das war nicht so gut. Er hätte eine Einäscherung vorgezogen. Sauber und sicher.
    Er betrachtete die übrigen sechs Formulare, konnte aber keines gebrauchen. Alle Begräbnisse würden erst gegen Ende der Woche stattfinden. Das wäre zu riskant, falls die Familie vorbeikam, um die Toten noch einmal anzusehen. Und bis auf einen hatten alle eine Einbalsamierung verlangt.
    Dass Molly Glossops Familie dies nicht tat, hieß vermutlich, dass es ihr gleichgültig war. Also würde man sich vermutlich auch nicht weiter um die Leiche kümmern. Daher konnte er hoffen, dass heute Nacht oder morgen früh kein verzweifelter Verwandter hereinrauschen würde, um einen letzten Blick auf sie zu werfen.
    Er leuchtete auf die Plakette am geschlossenen Sarg:
    Molly Winifred Glossop. Verstorben am 2. Januar 1998, Alter: 81 Jahre.
    Die Tatsache, dass der Deckel bereits verschraubt war, wies darauf hin, dass niemand noch einmal hineinsehen wollte.
    Er nahm einen Schraubenzieher vom Gürtel, entfernte die schimmernden Messingschrauben des Deckels, hob ihn herunter und atmete die Mischung aus frisch gesägtem Holz, Kleber, neuem Stoff und Desinfektionsmittel ein.
    Die tote Frau lag im mit cremefarbenem Satin ausgeschlagenen Sarg, und nur der Kopf schaute aus dem weißen Leichentuch hervor, in das man sie gehüllt hatte. Sie sah gar nicht wirklich aus, eher wie eine sonderbare Großmutterpuppe. Ihr Gesicht war ausgemergelt und knochig, lauter Falten und Kanten, die Hautfarbe einer Schildkröte. Ihr Mund war zugenäht, er konnte die Fäden zwischen den Lippen erkennen. Das Haar war zu weißen Löckchen frisiert.
    Er spürte einen Kloß im Hals, als die Erinnerung wiederkehrte. Bekam es mit der Angst. Er schob die Hände unter sie und hob sie hoch. Dabei staunte er, wie leicht sie war. Ihr gewichtsloser Körper ruhte in seinen Armen, es war überhaupt kein Fleisch mehr daran. Vermutlich war sie an Krebs gestorben, dachte er, als er sie auf den Boden legte. Mist, sie war sehr viel leichter als Rachael Ryan. Hoffentlich würde es den Sargträgern nicht auffallen.
    Er eilte nach draußen, öffnete den Kofferraum und holte die Leiche von Rachael Ryan heraus, die er in zwei Schichten schwere Plastikfolie gewickelt hatte, damit beim Auftauen kein Wasser durchsickerte.
     
    Zehn Minuten später hatte er das Gehäuse der Alarmanlage wieder aufgesetzt, das System eingeschaltet und das Vorhängeschloss am Tor angebracht. Er bog mit dem Ford Sierra in den Samstagabendverkehr auf der regengepeitschten Straße. Eine Last war von seiner Seele genommen. Er gab rücksichtslos Gas.
    An einer roten Ampel musste er anhalten und zwang sich, Ruhe zu bewahren. Er wollte doch nicht die Polizei auf sich aufmerksam machen, jetzt, wo Molly Winifred Glossop in seinem Kofferraum lag. Er schaltete das Radio ein und hörte die Beatles. We can work it out. Wir schaffen das.
    Er hämmerte aufs Lenkrad, beinahe erregt vor lauter Erleichterung. Ja. Yep. Yep! Wir schaffen das, dachte er bei sich.
    Oh ja!
    Stufe eins hatte planmäßig funktioniert. Jetzt musste er an Stufe zwei denken. Da gab es unbekannte Faktoren und somit größere Risiken. Aber es war die beste seiner begrenzten Möglichkeiten. Und, jedenfalls in seinen Augen, ziemlich raffiniert.

52
Jetzt
Sonntag, 11. Januar
    Sonntags galten im St. Patrick’s Obdachlosenheim die gleichen Regeln wie an allen anderen Tagen. Die Bewohner mussten die Räumlichkeiten um 8.30 Uhr verlassen und durften nicht vor 19.30 Uhr zurückkehren.
    Darren Spicer fand das ziemlich streng, immerhin war das doch die Kirche. Sollte einem die Kirche nicht immer Zuflucht bieten? Vor allen Dingen bei diesem beschissenen Wetter. Aber er wollte nicht streiten, er wollte sich ja nicht unbeliebt machen. Er wollte einfach nur etwas länger beleiben. Das wäre toll. Dann könnte er sein Leben endlich in den Griff bekommen

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