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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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jedenfalls nicht von den Dingen, an denen er Spaß hatte.
    Er fuhr mit seinem kleinen grauen Volvo durch das Industriegebiet, vorbei an einem Autohändler, der Einfahrt zu einem Supermarkt und einem Baumarkt. Am Ende der Sackgasse sah er das zweistöckige Gebäude seiner Firma liegen. Davor aufgereiht standen neun weiße Lieferwagen mit Firmenlogo.
    Da er sich immer um die Kosten sorgte, waren die Lieferwagen in schlichtem Weiß gehalten und der Firmenname mit Magnetschildern angebracht. So musste er nicht jedes Mal, wenn er einen neuen Lieferwagen kaufte, die Beschriftung bezahlen und diese auch nicht entfernen, wenn er einen verkaufte.
    Es war Montagmorgen, neun Uhr. Dass so viele Lieferwagen vor dem Gebäude parkten, freute ihn nicht sonderlich. Eigentlich hätten sie unterwegs sein sollen, bei den Kunden. Doch es herrschte Rezession.
    In letzter Zeit gab es viele Dinge, über die er sich nicht freute.
     
    Dunstan Christmas’ Hintern juckte, aber er kratzte sich nicht. Wenn er während der Schicht länger als zwei Sekunden seinen Stuhl verließ, ohne sich ordnungsgemäß auszuloggen, ging die Alarmanlage los, sein Vorgesetzter stürmte herein und machte ihn zur Sau.
    Zugegeben, es war ein verdammt gutes Alarmsystem, das musste sich Christmas widerwillig eingestehen. Praktisch idiotensicher.
    Das musste es natürlich auch sein, denn dafür bezahlten die Kunden von Sussex Remote Monitoring Services: dass ausgebildete Kamerafachleute wie er in einer Uniform dasaßen und rund um die Uhr Aufnahmen ihrer Häuser und Firmen betrachteten. Christmas war sechsunddreißig und wog an die hundertdreißig Kilo. Auf dem Hintern zu sitzen bereitete ihm keine Mühe.
    Den Sinn der Uniform verstand er nicht so ganz, da er den Raum nie verließ, aber der große Chef, Mr Starling, ließ alle in der Firma Uniform tragen, sogar die Empfangsdamen. Er behauptete, sie verliehen den Mitarbeitern Stolz und das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Außerdem beeindruckten sie die Besucher. Und Mr Starlings Wort war Gesetz.
    Neben dem Knopf für die Kameraauswahl befand sich ein Mikrophon. Obwohl manche der Häuser und Geschäftsräume, die auf den zwanzig Bildschirmen zu sehen waren, viele Kilometer entfernt waren, konnte er möglichen Eindringlingen per Knopfdruck die Hölle heiß machen. Er musste nur ins Mikrophon sprechen. Dieser Teil seiner Arbeit gefiel ihm echt gut. Es kam nur selten vor, aber wenn, war es ein Heidenspaß, die Leute springen zu sehen! Das war der Hammer!
    Christmas arbeitete in einer Wechselschicht, jeweils acht Stunden entweder tagsüber, abends oder nachts, und war mit der Bezahlung recht zufrieden, doch der Job selbst war manchmal tödlich langweilig, vor allem nachts. Zwanzig verschiedene Fernsehprogramme, und in keinem passierte etwas! Das eine zeigte das Bild eines Fabriktores. Das andere eine private Einfahrt. Die Rückseite eines großen Hauses an der Dyke Road Avenue. Gelegentlich schlichen eine Katze, ein Fuchs oder ein Dachs vorbei, ein kleines Nagetier huschte dahin.
    Zu Bildschirm Nr. 17 hatte er eine gewisse emotionale Beziehung aufgebaut. Er zeigte Aufnahmen der alten Zementfabrik in Shoreham, die seit neunzehn Jahren geschlossen war. Sechsundzwanzig Überwachungskameras waren auf dem riesigen Gelände angebracht, von denen eine den Eingang und die anderen wichtige innere Zugangspunkte zeigten. Im Augenblick sah man die Vorderseite – einen hohen, von Stacheldraht gekrönten Metallzaun und ein Tor mit Kette und Schloss.
    Sein Vater hatte dort als Fahrer gearbeitet und ihn manchmal in der Kabine seines Lkw mitgenommen, wenn er Zement abholte. Christmas hatte das Werk geliebt. Es erinnerte ihn immer an einen James-Bond-Film: riesige Hallen, in denen gewaltige Drehrohröfen und Mühlen standen, dazu Bulldozer, Kipplaster und Bagger. Hier war immer etwas los.
    Die Zementfabrik lag in einer riesigen, schalenförmigen Mulde einige Kilometer im Landesinneren nordwestlich von Shoreham. Das Gelände war über hundert Hektar groß und mit riesigen, verfallenen Gebäuden übersät, in denen sich die Zementöfen, Mühlen und Silos befanden. Es gab Gerüchte, wonach alles reaktiviert werden sollte, doch seit vor fast zwei Jahrzehnten der letzte Lastwagen das Gelände verlassen hatte, stand es leer, ein unermessliches, graues Geisterdorf mit fensterlosen Gebäuden, rostigen Maschinen, alten Fahrzeugen und unkrautüberwucherten Wegen. Es wurde gelegentlich von Vandalen heimgesucht oder von Dieben, die nach und nach

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