Du sollst nicht sterben
Elektromotoren, Kabel und Bleirohre gestohlen hatten. Daher hatte man das aufwendige Sicherheitssystem installiert.
An diesem besonderen Montagmorgen waren die Aufnahmen jedoch interessanter als sonst. Vor allem auf Bildschirm Nr. 11.
Jeder Bildschirm deckte zehn verschiedene Objekte ab. Bewegungsmelder holten ein Objekt sofort auf den Bildschirm, wenn dort beispielsweise ein Fahrzeug eintraf oder wegfuhr, jemand vorbeiging oder ein großes Tier umherstreunte. Seit er um sieben, also vor anderthalb Stunden, seine Schicht begonnen hatte, hatte es auf Bildschirm 11 ständige Aktivität gegeben. Er zeigte das Haus der Pearces. Christmas konnte Absperrband und einen Polizisten erkennen, der den Tatort bewachte. Drei Leute von der Spurensicherung in blauen Schutzanzügen und Gummihandschuhen suchten den Boden auf Händen und Knien zentimeterweise nach möglichen Spuren des Mannes ab, der am vergangenen Donnerstag ins Haus eingedrungen war und Mrs Pearce überfallen und vergewaltigt hatte. Hier und dort steckten kleine nummerierte Markierungen im Boden.
Christmas steckte die Hand in das große Päckchen Chips, das neben der Bedienungstafel lag, und stopfte sie in den Mund, bevor er sie mit einem Schluck Cola hinunterspülte. Er musste pinkeln, wollte aber noch ein bisschen sitzen bleiben. Er konnte sich aus dem System ausloggen, um Pause zu machen, doch es wurde registriert. Anderthalb Stunden nach Arbeitsbeginn war zu früh. Wenn er bei seinem Chef Eindruck schinden wollte, musste er schon ein bisschen länger aushalten.
Die Stimme ließ ihn zusammenschrecken.
»Freut mich, dass 76 The Droveway repariert worden ist.«
Dunstan Christmas drehte sich um und sah Garry Starling dort stehen.
Starling schnüffelte gern seinen Angestellten hinterher. Kam leise von hinten heran, manchmal in weißem Hemd, Jeans und Turnschuhen, dann wieder im schicken Anzug. Aber immer leise, heimlich, auf Gummisohlen, wie ein perverser Stalker. Seine großen Eulenaugen spähten auf die Reihe der Bildschirme.
»Ja, Mr Starling. Er hat wieder funktioniert, als ich heute Morgen kam.«
»Kennen wir schon das Problem?«
»Ich habe noch nicht mit Tony gesprochen.«
Tony war der leitende Ingenieur der Firma.
Starling betrachtete die Aktivitäten im Hause der Pearces und nickte dann.
»Sieht nicht gut aus, Sir.«
»Es ist unglaublich«, erwiderte Garry Starling. »Das Schlimmste, das je in einem unserer Objekte passiert ist, und das Scheißsystem hat nicht funktioniert. Unglaublich!«
»Schlechtes Timing.«
»Das können Sie laut sagen.«
Christmas betätigte einen Kippschalter an der Bedienungstafel und zoomte einen Spurensicherer heran, der gerade etwas eintütete, das für sie nicht zu erkennen war,
»Ist schon interessant, wie die Jungs arbeiten.«
Sein Chef antwortete nicht.
»Wie bei CSI!«
Wieder keine Antwort.
Er drehte sich um und stellte erstaunt fest, dass Garry Starling bereits den Raum verlassen hatte.
56
Du fühlst dich sexy, wenn du teure High Heels trägst, was? Du betrachtest sie als Investition, was? Sie gehören zu deiner Falle, was? Weißt du, was du bist? Was ihr alle seid? Venusfliegenfallen! Genau das seid ihr.
Habt ihr euch die Blätter einer Venusfliegenfalle mal genauer angeschaut? Sie sind von innen rosa. Erinnern sie euch an etwas? Ich sage euch, woran sie mich erinnern: an eine Vagina mit Zähnen. Genau das sind sie natürlich auch. Sie haben gemeine Schneidezähne rundherum, wie die Täter in einem Gefängnis.
So wie ein Insekt dort eindringt und eines der winzigen Haare an den einladenden, sinnlichen rosa Lippen berührt, schnappt die Falle zu. Sperrt die Luft aus. So wie ihr das auch macht. Dann tun die Verdauungssäfte ihr Werk und töten die Beute langsam, falls sie nicht das Glück hatte, bereits erstickt zu sein. Genau wie ihr! Die weichen inneren Organe des Insekts werden aufgelöst, nicht aber die äußeren Teile, der Hautpanzer. Am Ende des Verdauungsprozesses, nach mehreren Tagen, vielleicht auch ein paar Wochen, absorbiert die Falle die Verdauungsflüssigkeit und öffnet sich wieder. Die Überreste des Insekts werden vom Wind davongeweht oder vom Regen weggewaschen.
Darum zieht ihr ja auch die Schuhe an, was? Um uns zu fangen, uns auszusaugen und unsere Überreste wieder auszuscheiden.
Nun, ich habe Neuigkeiten für euch.
57
Jetzt
Montag, 12. Januar
In der Soko-Zentrale 1 konnten gewöhnlich drei große Ermittlungen gleichzeitig laufen. Das rasch wachsende Team der
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