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Du sollst nicht sterben

Titel: Du sollst nicht sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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noch an den Weihnachtsmann, was?«
    Spicer grinste unsicher. »Weihnachtsmann? Klar. Wieso meinen Sie?«
    »Dann schreiben Sie ihm, damit er Ihnen nächstes Mal ein Taschentuch mitbringt.«

53
Jetzt
Sonntag, 11. Januar
    Sonntags fuhr Jak nicht Taxi, weil er anderweitig beschäftigt war.
    Er hatte gehört, wie Leute diesen Ausdruck benutzten, und er hatte ihm gefallen. Anderweitig beschäftigt. Das hörte sich nett an. Manchmal sagte er gerne Dinge, weil sie sich nett anhörten.
    »Warum fährst du sonntagsabends nie Taxi?«, hatte der Mann, dem das Taxi gehörte, ihn kürzlich gefragt.
    »Weil ich anderweitig beschäftigt bin«, hatte Jak wichtig geantwortet.
    Und das war er auch. Er hatte wichtige Dinge zu erledigen, die seine Sonntage vom Aufstehen bis zum späten Abend ausfüllten.
    Jetzt war es später Abend.
    Seine erste Pflicht an jedem Sonntagmorgen bestand darin, das Hausboot auf Lecks zu untersuchen, und zwar von unterhalb der Wasserlinie bis zum Dach. Danach reinigte er das Hausboot. Es war das sauberste schwimmende Heim in ganz Shoreham. Dann reinigte er sich selbst äußerst sorgfältig. Er war der sauberste und am besten rasierte Taxifahrer in ganz Brighton and Hove.
    Wenn die Besitzer der Tom Newbound endlich aus Indien zurückkämen, würden sie hoffentlich stolz auf ihn sein. Vielleicht würden sie Jak sogar weiter hier wohnen lassen, wenn er sich bereit erklärte, das Boot jeden Sonntag zu putzen.
    Das hoffte er jedenfalls. Er wusste auch nicht, wohin er sonst gehen sollte.
    Einer seiner Nachbarn hatte zu Jak gesagt, das Boot sei so sauber, dass man vom Deck essen könne. Das hatte Jak nicht verstanden. Warum sollte er so etwas tun? Wenn er Essen auf das Deck legte, würden die Möwen es wegfressen. Dann wäre der ganze Dreck auf dem Deck, und er müsste wieder von vorn sauber machen. Also hatte er diesen Vorschlag ignoriert.
    Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, dass es klug war, Vorschläge zu ignorieren. Die meisten stammten nämlich von Idioten. Intelligente Leute behielten ihre Gedanken für sich.
    Seine nächste Aufgabe zwischen dem stündlichen Teekochen und dem Verzehr des Sonntagsessens – immer das Gleiche: Lasagne aus der Mikrowelle – bestand darin, seine Kindheitssammlung von Toilettenspülketten aus ihren Verstecken in den Bilgen zu holen. Das Schiff bot einige ausgezeichnete Verstecke. In manchen davon hatte er seine Schuhsammlung untergebracht.
    Er nahm sich gerne Zeit, um die Ketten auf dem Teppichboden im Wohnzimmer auszubreiten. Zuerst zählte er sie durch, um sicherzugehen, dass niemand in seiner Abwesenheit welche gestohlen hatte. Dann untersuchte er sie auf Rostflecken. Danach reinigte er sie und rieb jede einzelne Kette voller Liebe und Stolz mit Metallpolitur ab.
    Nachdem er die Ketten wieder sorgsam verstaut hatte, ging Jak ins Internet. Den Rest des Nachmittags verbrachte er bei Google Earth und suchte nach Veränderungen auf seinen Landkarten. Er hatte nämlich etwas herausgefunden. Straßen veränderten sich, genau wie alles andere. Man konnte sich nicht auf sie verlassen. Man konnte sich auf gar nichts verlassen. Die Vergangenheit war wie Treibsand. Zeug, das man las und lernte und in seinem Kopf speicherte, konnte verändert werden. Nur weil man einmal etwas gewusst hatte, hieß das noch lange nicht, dass es heute noch stimmte. Genau wie bei Landkarten. Man wurde kein guter Taxifahrer, wenn man sich nur auf Landkarten verließ. Man musste immer auf dem Laufenden bleiben!
    Genauso war es auch mit der Technik.
    Sachen, die man vor fünf oder zehn oder fünfzehn Jahren gewusst hatte, waren heute nichts mehr nütze. Die Technik veränderte sich. Er hatte auf dem Boot einen ganzen Aktenschrank mit Schaltplänen von Alarmanlagen. Er beschäftigte sich gern damit. Suchte die Fehler darin. Vor langer Zeit war ihm klargeworden, dass es immer Fehler gab, wenn Menschen etwas entwickelten. Diese Fehler speicherte er gern in seinem Kopf. Information war Wissen, und Wissen war Macht!
    Macht über all die Leute, die ihn für nutzlos hielten. Die ihn verhöhnten oder auslachten. Manchmal merkte er, dass die Leute im Taxi über ihn lachten. Er sah sie im Spiegel, wie sie grinsend und flüsternd auf dem Rücksitz saßen. Sie hielten ihn für weich in der Birne. Blöd. Meschugge. Oh ja.
    Genau wie seine Mutter.
    Sie hatte den gleichen Fehler begangen. Sie hatte ihn für blöd gehalten. Sie wusste nicht, dass er sie manchmal beobachtete, wenn sie zu Hause war, tagsüber oder auch nachts.

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