Du sollst nicht sterben
Friseur gewesen und hatte ihr langes blondes Haar zu Locken drehen lassen. Sie trug ein kurzes schwarzes Kleid, das jede Kurve ihres Körpers betonte, und hatte sein Lieblingsparfum Poison aufgelegt. Sie hob den Arm, um ihm das schmale, silberne Armband zu zeigen, das er bei einem modernen Juwelier in den Lanes gekauft hatte.
»Es sieht toll aus!«, sagte er.
»Und wie!« Sie bewunderte es im Spiegel des viktorianischen Garderobenständers. »Ich finde es wunderbar. Sie haben einen tollen Geschmack, Detective Sergeant Grace!«
Er nahm sie in den Arm und kuschelte sich an ihren Hals. »Am liebsten würde ich dich jetzt hier auf dem Dielenboden lieben.«
»Dann beeil dich, das Taxi kommt in einer halben Stunde!«
»Taxi? Wir brauchen kein Taxi, ich fahre.«
»Willst du an meinem Geburtstag etwa nichts trinken?« Sie half ihm aus dem Mantel, hängte ihn an die Garderobe und führte Grace ins Wohnzimmer. Die Musikbox, die sie vor einigen Jahren auf dem Samstagsmarkt in Kensington Gardens gekauft und restauriert hatten, spielte einen seiner Lieblingssongs von den Rolling Stones, ihre Version von Under the boardwalk. Das Licht war gedämpft, überall brannten Kerzen. Auf dem Couchtisch standen eine geöffnete Champagnerflasche, zwei Gläser und eine Schale Oliven.
»Ich dachte, wir könnten etwas trinken, bevor wir gehen«, sagte sie sehnsüchtig. »Macht nichts, ich stelle es in den Kühlschrank, für später. Dann kannst du den Champagner von meinem nackten Körper trinken.«
»Mhm«, sagte er genießerisch, »eine wunderbare Idee. Aber ich bin im Dienst, Liebling, ich kann nichts trinken.«
»Roy, ich habe Geburtstag! «
Er küsste sie wieder, doch sie wich ihm aus. »An meinem Geburtstag bist du nicht im Dienst. Du warst schon Weihnachten im Dienst. Du warst heute Morgen schon ganz früh im Büro. Jetzt schalte mal ab!«
»Das kannst du ja mal Popeye erzählen.«
Das war sein unmittelbarer Vorgesetzter, Detective Chief Inspector Jim »Popeye« Doyle. Der DCI war leitender Ermittler der Operation ›Sundown‹, die das Verschwinden von Rachael Ryan untersuchte und im Augenblick seine ganze Zeit in Anspruch nahm. Außerdem raubte sie ihm den Schlaf.
»Gib mir seine Nummer, und ich erledige das!«
Grace schüttelte den Kopf. »Liebling, der gesamte Urlaub wurde gestrichen. Wir ermitteln rund um die Uhr. Es tut mir leid. Aber versetz dich mal in die Lage der Eltern, sie erwarten das von uns.«
»Willst du mir allen Ernstes erzählen, du könntest an meinem Geburtstag nichts trinken?«
»Ich mache mich jetzt frisch und ziehe mich um.«
»Du gehst nirgendwohin, bevor du mir nicht versprochen hast, heute Abend etwas mit mir zu trinken!«
»Sandy, wenn ich weggerufen werde und nach Alkohol rieche, könnte mich das meinen Job kosten. Das musst du doch verstehen.«
»Das musst du doch verstehen« ,äffte sie ihn nach. »Wenn ich ein Pfund für jedes Mal bekommen hätte, wo du das gesagt hast, wäre ich schon Multimillionärin! «
»Bestell das Taxi ab, ich fahre selbst.«
»Verdammt, du fährst nicht!«
»Ich dachte, wir wollten Geld für die Hypothek und die Arbeiten am Haus sparen.«
»Die eine Taxifahrt dürfte doch wohl keinen großen Unterschied machen!«
»Eigentlich sind es zwei, hin und zurück.«
»Ach ja?« Sie stützte trotzig die Hände in die Hüften.
In diesem Augenblick meldete sich sein Funkgerät.
Er holte es aus der Tasche. »Roy Grace?«
Ihr Blick sagte: Wag es nicht, wer immer es ist.
Es war sein DCI.
»Guten Abend, Sir.«
Der Empfang war schlecht, Jim Doyles Stimme knisterte. »Roy, soeben hat ein Bauer bei der Kaninchenjagd auf einem Feld einen ausgebrannten Lieferwagen gefunden. Der Wagen wurde gestern Nachmittag als gestohlen gemeldet. Darin befindet sich eine Leiche, weiblich, wie er vermutet – er war im Irak beim Panzerkorps und kennt sich wohl ein bisschen damit aus. Hört sich an, als könnte es unsere vermisste Rachael Ryan sein. Wir müssen den Wagen umgehend sicherstellen. Er befindet sich nahe der Saddlescombe Road, einen knappen Kilometer südlich des Waterhall Golf Clubs. Ich bin schon unterwegs. Wir können uns dort treffen. Wie lange brauchen Sie?«
Graces Herz zog sich zusammen. »Sie meinen jetzt, Sir?«
»Was dachten Sie denn? In drei Wochen?«
»Nein, Sir – es ist nur – meine Frau hat heute Geburtstag.«
»Dann wünschen Sie ihr alles Gute von mir.«
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Mittwoch, 14. Januar
Norman Potting betrat die Soko-Zentrale 1, in der Hand einen Kaffee,
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