Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
Vom Netzwerk:
Hauptquartier das erste Glas Wasser gereicht hatte. Seine Hand ist durchschossen. Er lächelt, so wie er gestern gelächelt hatte. »Nicht der Rede wert«, meint er, obwohl Blut aus seinem Verband tropft.
    Wir werden in den Operationssaal gebracht, in dem ein halbes Dutzend Ärzte um das Leben der 22-jährigen Fadya kämpft. Sie hat heute Morgen in Adschdabiya mehrere Schüsse in die Brust erhalten. Die Kommandos der operierenden Ärzte werden lauter, erregter, verzweifelter. Die Stimme des Chefarztes überschlägt sich – dann wird es still. Fadya und die Ärzte haben den Kampf verloren.
    Leise verlassen wir den Raum. Der uns begleitende Arzt setzt sich müde auf eine kleine Bank im Flur: »Sie ist tot«, sagt er. »Zwanzig Jahre und einfach tot.« Als er spürt, dass Tränen über sein Gesicht laufen, steht er auf und geht zu seinen Kollegen zurück.
    In einem japanischen Kleinbus starten wir nachts Richtung Kairo. Wir fahren die über 1200 Kilometer an einem Stück durch. Vorbei an jubelnden Menschen in Al-Baida, die mit Autokorsos den angeblichen Tod eines Gaddafi-Sohnes feiern. Vorbei an den Flüchtlingen aus Ghana, dem Sudan, Sri Lanka und Bangladesch, die im Niemandsland zwischen Libyen und Ägypten noch immer darauf warten, dass sich jemand ihrer erbarmt.
    Nach über 20 Stunden Fahrt kommen wir am Abend des 16. März in Kairo an. Die Strapazen der Fahrt waren diesmal nicht das Schlimmste. Bedrückender war die unendliche Trauer, die Belal ergriffen hatte. Und sein Schweigen.
    Passlos in Kairo
    Gegen 22 Uhr bin ich im Ramses-Hotel in Kairo. Hier war ich eine Woche zuvor gestartet. Jetzt will ich nur noch schlafen.
    Doch der Rezeptionschef, der aussieht wie der französische Komiker Louis de Funès, will erst meinen Pass sehen. Aber der ist wie alle meine Papiere vor Brega den Flammen zum Opfer gefallen. »Ohne Pass kein Bett«, entscheidet Louis de Funès. »Das ist Gesetz.« Ich erkläre ihm, dass mein Pass bei einem Raketenangriff in Libyen verbrannt sei. Dass ich todmüde sei und ins Bett wolle. Doch ich habe keine Chance. Er besteht auf einem Ausweis. Ich erkläre ihm, dass das Hotel von meinen früheren Aufenthalten mindestens zwei Kopien meines Passes haben müsse. Hoheitsvoll erklärt er mir, nach den Gesetzen Ägyptens seien Passkopien kein Passersatz. Meine Geduld schwindet.
    Nach langen Diskussionen macht sich der strenge Rezeptionschef auf die Suche nach meinen Passkopien. Nach einer halben Stunde findet er eine. Gnädig verkündet er, wenn ich ihm jetzt noch meine Kreditkarte zeigen könne, werde er beginnen, darüber nachzudenken, mir ein Zimmer zu geben. »Verbrannt«, sage ich und versuche, die Kontrolle nicht zu verlieren. »Mit dem gesamten Auto in Feuer aufgegangen.« Ich habe das alles bereits dreimal erklärt. Trotzdem fragt er, ob ich die Sache mit dem Raketenangriff noch einmal erzählen könne. Völlig genervt beginne ich von vorne.
    »Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?«, unterbricht mich der Rezeptionschef mit milder Stimme. Ich stehe nun seit über einer Stunde am Empfang. Viermal habe ich meine Geschichte erzählt – mit dem Ergebnis, dass mich dieser Komiker jetzt für verrückt hält. Ich erkläre mit letzter Kraft, dass es mir gut gehe. Allerdings nur, wenn ich jetzt endlich ein Bett bekäme. Es ist wie in einem schlechten Slapstick-Film.
    »Einen Augenblick bitte«, sagt er wieder mit dieser irritierenden Nachsicht, mit der man Irrsinnige anspricht. »Ich werde jetzt mit der Hotelchefin sprechen.« Es folgt ein langes Telefonat. Immer, wenn er meinen Namen erwähnt, verdreht er die Augen. »Sie dürfen bei uns übernachten«, erklärt er huldvoll, nachdem er den Hörer aufgelegt hat. »Ich brauche jetzt nur noch Ihre Kreditkarte. Sie müssen wie jeder Gast zwei Tage im Voraus bezahlen.«
    »Aber die Kreditkarte ist doch verbrannt«, brülle ich los. Ich haue mit der flachen Hand so laut auf den Empfangstisch, dass die Louis-de-Funès-Kopie zusammenzuckt, die Bleistifte zu tanzen beginnen und seine Mitarbeiter herbeieilen. Doch er bleibt hart. »Ohne Anzahlung kein Zimmer.«
    Aus einer kleinen eingenähten Tasche meiner Jacke nestle ich einen 500-Euro-Schein, den ich für extreme Notfälle dabeihabe. Für Entführungen, Bestechungsforderungen und ähnliche Katastrophen. Der Rezeptionschef nimmt den Schein mit spitzen Fingern und erklärt mir, dass das Hotel keine 500-Euro-Scheine akzeptiere. Ich muss ihn wirklich gestört anschauen, denn er fragt nun sehr besorgt, ob es

Weitere Kostenlose Bücher