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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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mittags, abends. Einmal sogar mit dem Pudel eines Freundes.
    Alles war wie üblich. Die ARD hatte heute stundenlang für ihre aktuelle Berichterstattung gedreht. Wie viele Fernsehstationen der Welt. Es herrschte Volksfeststimmung. Tausende Fahnen wehten im Abendwind. Lampions erhellten den Platz. Auf zwei provisorischen Bühnen fanden lautstarke Diskussionen statt. Julia kletterte auf einen Bus und filmte den Platz von oben. Langsam stieg auch unsere Stimmung.
    Doch immer häufiger kamen freundliche junge Leute und rieten uns, einen bestimmten Teil des Platzes zu meiden. Dort hätten sich Baltagiyas zusammengerottet. Kriminelle Schlägertruppen des gestürzten Regimes. Konterrevolutionäre. Sie versuchten, die Revolutionsfeier zu stören. Das könne für uns gefährlich werden. Zögernd folgten wir unseren Ratgebern. Zu unserer Sicherheit bildeten sie mit verschränkten Armen einen Schutzring um uns herum.
    64 So die Zahlen laut der israelischen NGO B’tselem – The Israeli Information Center for Human Rights in the Occupied Territories, http://www.btselem.org/statistics/fatalities/any/by-date-of-event



Doch plötzlich kippt die Stimmung auf dem Platz. Ein Keil von 100, 200 kräftigen Männern wirft sich auf uns und versucht, Julia und mich von den anderen zu trennen. Eine immer größer werdende Gruppe von Schlägern drängt uns von unseren Beschützern weg. Wir sind auf einmal umzingelt von schiebenden, zerrenden, prügelnden, brüllenden Männern mit aufgerissenen Augen und Mäulern. Der Mob, der uns umgibt, wird größer und mächtiger. Alle gestikulieren, schreien, grölen. Wie Tiere in Massenpanik.
    Um Julia nicht zu verlieren, kralle ich mich an ihrer Schulter fest. Ich sehe, dass Hände an ihr herumgrapschen, während wir wie von einer mächtigen Meeresströmung davongetragen werden. Ich schreie ihr ins Ohr, sie müsse ruhig bleiben. Ich sei bei ihr.
    In diesem Augenblick zwängt sich ein Mann zwischen uns und schlägt mir die Brille vom Gesicht. Dann stemmt er sich so gegen mich, dass ich Julia nur noch mit den Fingerspitzen berühren kann. Ein zweiter Mann schlägt mir die Faust in den Magen und rammt mir sein Knie in den Unterleib. Ich versuche verzweifelt, auf den Beinen zu bleiben. Ich sehe noch, wie jemand Julias Haarspange wegreißt. Dann entschwindet ihr sich öffnender Haarschopf in der Ferne. Ich gehe zu Boden.
    Ich rapple mich wieder auf und stürze dem Pulk hinterher. Doch jetzt sind es nicht mehr Hunderte, sondern Tausende wild gewordene, entfesselt schreiende Wahnsinnige, die Julia wegschleppen.
    Unsere Schutztruppe von vorhin hat wieder zu mir aufgeschlossen. Sie hält mich fest. Sie schreien, die Baltagiyas würden mich umbringen, wenn ich sie weiterverfolgte. Doch ich muss zu Julia. Während mich mindestens 50 junge Leute umringen und mit ihren Körpern hindern, der entfesselten Meute zu folgen, brülle ich immer wieder: »Ich muss ihr helfen. Ich muss zu ihr.«
    Nach ein, zwei Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkommen, gelingt es mir, ein Dutzend junger Leute dazu zu bewegen, mitzukommen und dem Mob hinterherzueilen. Sie halten mich zwar an Armen, Jacke und Gürtel fest, doch sie folgen mir. Aber wir sind weit von Julia entfernt.
    Julia ist von der enthemmten Horde weitergeschleppt worden. Sogartig schwappt die Menschenwelle, in der sie gefangen ist, von einer Seite zur anderen. Sie wird gegen einen Zaun gedrückt und darübergeschleift. Hände zerren sie nach unten, Hände ziehen sie nach oben. Die Tasche, die um ihren Hals hängt, droht sie zu erdrosseln. Doch der Gurt platzt. Auch die Fotokamera wird ihr vom Hals gerissen. Dann verliert sie ihre Schuhe.
    Julia erblickt mich einmal für Sekunden, wie ich gestikuliere und ihr etwas zurufe. Dann sieht sie, wie mich Menschen zurückreißen. Sie weiß, dass sie jetzt allein ist. Niemand kann ihr mehr helfen. Die Meute schleppt sie weiter. Sie zerrt an ihren offenen Haaren, an ihren Kleidern. Wehrlos wird sie hin und her geworfen. Die Menschen um sie herum johlen, schreien, kreischen.
    Julia versucht, etwas zu rufen, doch sie bringt keinen Ton mehr heraus. Menschen stürzen auf den Boden. Die Masse trampelt über sie hinweg. Die Horde zerreist Julias Hemd, zerfetzt ihre Hose, zerrt an ihrer Unterwäsche. Julia schlägt, beißt, tritt nach allen Seiten. Sie blutet am ganzen Körper. Halb nackt kämpft sie gegen den tobenden Mob. Nur nicht aufgeben, nur nicht ohnmächtig werden. Dann hätte sie endgültig verloren.
    Inzwischen haben sich

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