Du und ich und all die Jahre (German Edition)
und ich ließen den Neujahrs-Countdown ausfallen und entschieden uns, stattdessen am Strand spazieren zu gehen. Sogar eine Minute vor Mitternacht war es noch fast taghell. Der Vollmond spiegelte sich im weißen Sand. Abgesehen von der Brandung, war die Stille perfekt. Drei bis vier Kilometer gingen wir Hand in Hand weiter, dann drehten wir um, liefen zurück und bewunderten dabei ehrfürchtig den Sternenhimmel.
Wir bewegten uns schon wieder auf die Lichter des Hotels zu, als Dom hinunter zum Wasser ging. Grinsend schaute er mich an.
«Lust auf ein Bad?»
«Ich habe keinen Bikini an, Dominic.»
«Ich weiß», sagte er, und sein Grinsen wurde zu einem lasziven Lächeln.
Kichernd wie Schulkinder zogen wir uns aus und sprangen ins Wasser. Es war kühler als am Nachmittag und angenehm auf meiner sonnenverbrannten Haut. Wir ließen uns Händchen haltend auf dem Rücken treiben und blickten hinauf zu den Sternen.
«So was sollten wir öfter machen», meinte Dom.
«Nackt baden?»
«Wegfahren, nur wir zwei. Und ja, wir sollten auch häufiger nackt baden.»
«Meinst du, wir würden damit zu Hause im Hallenbad unangenehm auffallen?»
Wir ließen uns noch ein wenig treiben, dann schwammen wir zurück zum Ufer. Erst als wir schon wieder Grund unter den Füßen spürten, bemerkten wir, dass wir nicht mehr allein am Strand waren. Die kurvige Blonde und ihr Ehemann saßen ein oder zwei Meter von der Stelle entfernt, an der ich mein Kleid fallen gelassen hatte.
«Hey!», rief die Blonde. «Wie ist das Wasser?»
«Wunderbar», antwortete Dom und warf mir einen Blick zu. «Sehr schön.»
«Ja, wundervoll», bestätigte ich. Wenn ich jetzt einen Meter weiter aus dem Wasser ging, musste ich den beiden meine Brüste präsentieren.
«Sie sind mutiger als ich», sagte die Blonde. «Ich würde noch nicht mal bei Tageslicht ins Wasser gehen, geschweige denn nachts. Diese ganzen ekligen Krabbelviecher … Igitt. Haben Sie gesehen, was für riesige Krabben es hier gibt?»
Dom und ich planschten noch ein wenig halbherzig herum und warteten darauf, dass es den beiden anderen langweilig wurde und sie verschwanden. Das taten sie aber nicht.
«Waren Sie schon im Esel-Asyl?», wollte die Frau wissen. «Arme Kreaturen. Einige von ihnen sind in einem wirklich furchtbaren Zustand.»
«Da wollen wir vielleicht morgen hin», erklärte Dom.
Wir schwammen etwas unmotiviert herum. Mir wurde langsam kalt, das Paar am Strand jedoch machte keinerlei Anstalten aufzubrechen.
«Sie genießen es so richtig da draußen, oder?», fragte der Typ.
Dom lachte.
«Die bleiben da ewig», flüsterte er.
Ich musste auch kichern.
«Tod durch Erfrieren oder Sterben vor Scham. Was ist dir lieber, Nic?»
«Auf geht’s!»
Hand in Hand und vollkommen nackt stiegen wir so lässig wie möglich aus den Fluten an den Strand. Der Blonden und ihrer besseren Hälfte blieb der Mund offen stehen.
«Das Wasser ist wirklich toll», sagte Dom, während er seine Boxershorts anzog. «Ehrlich, probieren Sie’s aus.»
«Vielleicht morgen», sagte die Blonde und schaute krampfhaft weg.
«Na ja, wir gehen jetzt ins Bett», verkündete ich. Danach marschierten Dom und ich erhobenen Hauptes gen Hotel, als würden wir uns täglich vor Fremden entblößen.
In unserem Zimmer warfen wir uns aufs Bett und prusteten los.
«Oh mein Gott, hast du gesehen, wie die uns angeschaut haben?»
«Wir müssen die beim Frühstück wiedersehen», sagte Dom. «Ich bin mir nicht sicher, ob ich das schaffe, ohne den Raum fluchtartig zu verlassen.»
«Wir benehmen uns so, als sei nichts passiert. Kein Dementi, kein Kommentar.»
Irgendjemand – vermutlich der attraktive dänische Hotelier – hatte uns eine Flasche Champagner und eine Schachtel mit belgischer Schokolade aufs Zimmer gebracht – mit den besten Wünschen fürs neue Jahr. Wie nahmen sie mit in die gewaltige Steinwanne in unserem Bad. Ich lehnte mich in Dominics Armen zurück und schloss die Augen. In solchen Momenten konnte ich alles vergessen und glücklich sein.
Wie so oft wachte ich in den frühen Morgenstunden auf. Ich löste mich vorsichtig aus Dominics Armen und schaute auf meinem Handy nach der Uhrzeit: Es war kurz vor vier, und das Display meines Handys zeigte drei verpasste Anrufe an. Alex (natürlich), meine Mom (war klar) und Aidan.
Letzteres war komplett unerwartet. Aidan und ich hatten seit Monaten nicht miteinander gesprochen, nicht seitdem er mich im April angerufen hatte. Er war für einige Wochen in
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