Du und ich und all die Jahre (German Edition)
London gewesen und hatte gefragt, ob wir uns treffen könnten. Nur zum Reden. Er würde mit der ganzen Sache nicht klarkommen, sagte er. Und ich wäre die einzige Person, mit der er sich wirklich über Julian unterhalten könnte. Die einzige, die ihn verstehen könnte. Ich verschwieg ihm, dass es mir genauso ging. Dass ich weder mit Alex noch mit Dom darüber reden konnte. Ich sagte ihm nicht, dass er der Einzige war, mit dem ich sprechen wollte, weil nur er Julian so gekannt hatte wie ich. Nein, all das behielt ich für mich. Stattdessen sagte ich: «Ich bin seit ein paar Wochen verheiratet.»
Es folgte ein langes Schweigen am anderen Ende der Leitung. Schließlich sagte er: «Glückwunsch.»
«Es war nur eine kleine Feier», fügte ich hinzu, ohne zu wissen, warum eigentlich. Selbst wenn meine Hochzeit Ausmaße wie die von Charles und Diana gehabt hätte, wäre Aidans Name nicht auf der Gästeliste aufgetaucht.
«Okay», sagte er. «Das ist … na ja. Toll! Super. Glückwünsche. Alles Gute, Nic.»
Wir hatten beide noch einen langen Moment geschwiegen, bevor wir auflegten.
Ich checkte die Zeit seines Anrufs – er war vor zwei Stunden eingegangen. Schließlich kroch ich aus dem Bett, zog mein Kleid über und öffnete vorsichtig die Tür. Unser Zimmer hatte eine eigene kleine Terrasse, von der einige Stufen hinunter auf den Rasen führten. Bis zum Strand waren es dann nur noch wenige Meter. Ich lief über den Sand, setzte mich unter eine Palme und lehnte mich gegen ihren Stamm. Dann wählte ich mit klopfendem Herzen Aidans Nummer.
«Hey, Nic.» Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass er betrunken war oder brüllen musste, weil er gerade wild feierte. Aber seine Stimme klang ruhig und nüchtern. «Danke für den Rückruf. Ich war nicht sicher, was du Silvester so am Start hast, und dachte, ich ruf mal an.»
«Ich bin in den Flitterwochen», sagte ich.
«Scheiße. Tut mir leid! Warte mal – du bist in den Flitterwochen? Dann hat die erste Ehe wohl nicht lange gehalten?»
«Das ist meine erste Ehe, du Schwachkopf. Wir hatten nur bisher keine Zeit wegzufahren.»
«Wo bist du denn?»
«Lamu. Kenia.»
«Oh verdammt, wie spät ist es da? Müsste ungefähr …»
«Kurz nach vier.»
«Tut mir leid, Nic. Dachte, du wärst in London.»
«Schon okay. Bist du in New York?»
«Ja. Hier ist es kurz nach neun.»
«Gehst du heute nicht feiern?»
«Nö, ich mach ’nen Ruhigen. Wo bist du?»
«Lamu, habe ich dir doch …»
«Nein, ich meine, wo genau? In diesem Augenblick?»
«Am Strand.»
«Wirklich?»
«Wirklich. Ich wollte Dom nicht wecken.»
«Du hättest nicht gleich zurückrufen müssen.»
«Ich weiß.»
Ich ging an der Schleuse entlang zur Hafenbucht und dann in Richtung des offenen Meeres. Versuchsweise hielt ich das Telefon über meinen Kopf.
«Kannst du die Wellenbrecher hören?»
«Nein, eher nicht. Vielleicht ein bisschen.»
Ich ging noch etwas weiter und hielt das Handy wieder in die Höhe.
«Jetzt?»
«Ja, jetzt schon.»
Ich setzte mich an den Strand und blickte über den Ozean.
«Ich dachte vorhin noch an …»
«An Kapstadt?»
«An Mosambik. Den Indischen Ozean. War das erste Mal, dass ich darin geschwommen bin.»
Er lachte leise. «Ja, weiß ich noch. Du warst so aufgeregt.»
«Erinnerst du dich, wie Julian versucht hat, auf die Dattelpalme zu klettern?»
«Und wie er dann runtergefallen ist, und sich den Kopf angeschlagen hat …»
«Ja! Er ist total durchgedreht, und wir sollten ihn unbedingt vierundzwanzig Stunden bewachen, falls er einen Hirnschaden hat!» Wir mussten beide lachen.
«Das war ein toller Urlaub», sagte Aidan.
Der Himmel verfärbte sich langsam von Schwarz zu Grau.
«Ich wünschte, ich müsste nicht so oft an ihn denken», seufzte ich.
«Ich wünschte, ich würde nicht so viel an dich denken», erwiderte Aidan.
«Wir sollten jetzt auflegen.»
«Ich weiß.»
«Es fühlt sich an wie …»
«Betrug.»
«Genau.»
«Tut mir leid. Ich wollte nur deine Stimme hören. Ich vermisse deine Stimme. Ich vermisse …»
«Leb wohl, Aidan.»
«Ich liebe dich, Nicole.»
Ich ging zurück in unser Zimmer, schlüpfte neben meinem Mann unter die Decke und schlang die Arme um ihn.
«Du bist ganz kalt», krächzte Dom schläfrig.
«Ich bin ein bisschen spazieren gegangen», erklärte ich.
«Du verschwindest andauernd», sagte Dom. «Wo gehst du dann immer hin?»
«Ich laufe nur ein bisschen rum. Ich habe nur einen Spaziergang gemacht.»
«Hast du an
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