Du und ich und all die Jahre (German Edition)
geträumt hatte, wurde die Hochzeit genau so, wie ich sie mir wohl auch sonst vorgestellt hätte – ohne noch zu trauern. Aber darum ging es gar nicht. Es war der Zeitpunkt, der alle überraschte. Selbst Dom wirkte etwas perplex, als ich ihm drei Wochen nach der Beerdigung eröffnet hatte, dass ich heiraten wollte.
«Du hast gesagt, du bist noch nicht dazu bereit», wandte er ein.
«Ich habe meine Meinung eben geändert», entgegnete ich.
«Jetzt habe ich nicht mal einen Ring», sagte er.
«Du machst mir seit drei Jahren Anträge und hast keinen Ring? Wie geht das denn?»
«Ich … keine Ahnung. Ich dachte, ich hätte noch mindestens vier bis fünf Silvester Zeit, bevor du ja sagst.»
«Ich will keinen Ring», entschied ich. «Ich brauche keinen Ring. Lass uns das einfach zügig durchziehen. Kein großer Aufwand, keine Tiara, keine Brautjungfern, keine Kirche, okay?»
Dom war einverstanden und fragte nicht noch mal, weshalb ich meine Meinung geändert hatte. Ich glaube, er wollte da gar nicht unbedingt weiter nachhaken. Alex schon.
«Bist du sicher, Nic? Warum ausgerechnet jetzt? Im ersten halben Jahr nach einem Todesfall soll man keine wichtigen Entscheidungen treffen, das hast du doch bestimmt schon mal gehört! Oder war es ein halbes Jahr, nachdem man im Lotto gewonnen hat? So in der Richtung auf jeden Fall. Überleg dir mal, was Jules sagen würde.»
«Julian lebt nicht mehr», erwiderte ich. Aus irgendeinem Grund konnte ich es nicht ertragen, wenn sie von ihm sprach. Niemand sollte über ihn sprechen.
«Ja, ich weiß, Nic, aber …»
«Also hör auf, ihn ständig zu erwähnen. Das hat nichts mit ihm zu tun. Hier geht es um Dominic und mich. Ich will heiraten.»
Im Gegensatz zu Dom war Alex nicht so schnell bereit, das Thema ruhen zu lassen. Ein paar Tage nachdem ich ihr von der Hochzeit erzählt hatte, rief sie an und wollte sich mit mir auf ein paar Drinks im Duke of York an der Gray’s Inn Road treffen.
«Ich habe einen Termin bei meinem Anwalt», fügte sie hinzu. «Immer ein furchtbares Elend. Danach muss ich mich betrinken.»
Eigentlich wollte ich nicht. Sich mit Alex zu betrinken war nämlich nicht mehr so lustig wie früher. Darüber hinaus war das Wetter eklig, kalt und windig. Aber okay, bitte sehr.
Als ich ankam, hatte Alex schon einen ziemlichen Vorsprung. Sie war redselig, laut und lachte ständig. Dann aber begann sie mir einen schlecht vorbereiteten Vortrag darüber zu halten, dass eine Bindung fürs Leben gut überlegt sein will, weil man sonst viel Zeit hat, den Fehler zu bereuen. Das ganze garnierte sie mit anschaulichen Beispielen aus ihrer eigenen Ehe, die damals gerade ihr überaus hässliches Ende fand. Ich konnte problemlos kontern.
«Erstens», begann ich, «hast du nicht übereilt geheiratet. Du warst mit Mike vorher schon jahrelang zusammen. Und ich bin mit Dom seit mehr als vier Jahren zusammen, das würde ich persönlich jetzt nicht zwingend übereilt nennen, oder? Zweitens ist Dom nicht Mike. Ein entscheidender Unterschied. Der muss doch selbst dir klar sein.»
«Na schön», lenkte sie ein und wirkte etwas verletzt. Dann fragte sie: «Was meinst du eigentlich mit selbst dir?»
«Nichts», sagte ich verärgert und kippte den Rest meines Drinks runter. Ich wollte gehen, obwohl ich gerade erst gekommen war.
Draußen sah es allerdings aus, als würde der Weltuntergang unmittelbar bevorstehen. Monsunartiger Regen peitschte vom Himmel.
«Lass uns doch noch einen Drink bestellen», schlug Alex vor. Sie ging an die Bar, doch statt zwei Gläser Wein bestellte sie gleich eine ganze Flasche. Mir rutschte das Herz in die Hose.
«Ist billiger», verkündete sie fröhlich und schenkte uns ein. Dann fing sie wieder mit der Heirat an.
«Ich weiß, dass du Dom liebst», sagte sie, «und ich behaupte auch gar nicht, dass es prinzipiell falsch ist, ihn zu heiraten. Ich fürchte nur, dass du eine Entscheidung, die du jetzt in deiner Trauer triffst, später bereuen könntest.»
«Lass das mit der Trauer, Alex», schimpfte ich und schob mein Glas in die Mitte des Tisches. Ich hielt das nicht länger aus. «Du hast keine Ahnung, was ich fühle, keinen Schimmer, wie das für mich ist.»
Ich stand auf und zog meine Jacke an. Alex streckte den Arm aus und wollte mich zurückhalten. In ihren Augen schimmerten Tränen. «Nicole, geh nicht. Ich will nur mit dir reden. Bitte, Nic. Ich habe ihn auch geliebt …»
«Hör auf!», fuhr ich sie an und zog meine Hand weg. «Vergleich
Weitere Kostenlose Bücher