Du und ich und all die Jahre (German Edition)
Wir müssen nicht lange bleiben. Aber wir können uns ruhig ein paar Drinks auf Kosten meiner Eltern genehmigen, später müssen wir alles selbst bezahlen.»
«Guter Plan.»
«Danach sind wir zu einer Party im La Med eingeladen, das ist eine coole Bar unten am Strand. Wir könnten auch zu einer Strandparty in Clifton gehen, da wird es sicherlich sehr voll, aber auch sehr lustig. Oder wir machen beides. Wir müssen nur jemanden finden, der uns von der Bar zum Strand bringt, weil ich heute Abend auf keinen Fall fahren werde. Bestimmt findet sich jemand, den wir überreden können, uns mitzunehmen.»
Daran gab es für mich keinen Zweifel. Alex, groß, dunkelhaarig und wunderschön, mit riesengroßen blauen Augen, den Augenbrauen von Brooke Shields und dem breitesten Lächeln, das die Welt je gesehen hatte, konnte jeden zu allem überreden. Mädchen wie sie hielt ich sonst für totale Zicken (wenn sie so hübsch sind, sind sie meistens zickig, oder?), aber Alex war überraschend nett und ungekünstelt. Ihre außergewöhnliche Familie machte das umso erstaunlicher.
Alex’ Vater kommt aus Sambia und war dort Teilhaber an einer Kupfermine gewesen. Sie und ihre drei älteren Schwestern hatten als Kinder auf dem Grund eines weitläufigen Anwesens in der Vorstadt von Ndola tun und lassen können, was sie wollten. Sie ritten aus, verbrachten den Sommer auf Safari in Kafue oder Bangweulu, machten Wildwassertouren auf dem Sambesi, tanzten die ganze Nacht in zweifelhaften Kaschemmen, die sie aufgrund ihres Alters eigentlich nicht hätten betreten dürfen. Alex’ Vater war dann mit dem Vermögen, das er verdient hatte, in den frühen neunziger Jahren in den Ruhestand gegangen und mit der ganzen Familie nach Kapstadt gezogen. Das Leben der Familie Rose spielte sich in Technicolor ab. Ich fühlte mich im Vergleich wie ein Schwarzweißfilm.
Meine Ankunft im Haus der Familie machte das nicht besser. Wir fuhren durch ein hohes Tor auf das Anwesen und folgten einem verschlungenen Pfad bis zur Kuppe eines Hügels. Alex stellte das Auto ab, hüpfte raus und raste auf meine Seite, um mir mit Schwung die Tür zu öffnen.
«Herzlich willkommen!», rief sie, nahm mich bei der Hand und zog mich aus dem Wagen. «Casa Rose!»
Wieder einmal wurden meine Erwartungen übertroffen: Dies war nicht die elegante alte südafrikanische Villa, die ich mir ausgemalt hatte. Groß, weitläufig, sachlich und modern, bestand die Villa fast ganz aus Glas und Stahl und bildete damit einen beeindruckenden Kontrast zu der üppigen Vegetation, die sie umgab. Sie lag ganz in der Nähe des sich aus dem Meer erhebenden Tafelbergs.
Wir hievten mein (schäbiges) Gepäck aus dem Kofferraum, als plötzlich die Haustür aufgerissen wurde. Eine Frau in einem bunt bedruckten Kaftan fegte durch die Tür, die Arme zur Begrüßung weit geöffnet.
«Da bist du ja endlich!», rief sie. Sie hatte genau das gleiche breite Lächeln wie Alex. «Ich bin Karen, Alex’ Mutter.» Sie küsste mich auf beide Wangen. «Du siehst erschöpft aus, du Arme. War der Flug anstrengend?» Sie nahm mir meinen Koffer aus der Hand und stellte ihn auf den Boden. «Lass deine Sachen hier», sagte sie. «Solomon kümmert sich darum.»
«Ach, das geht schon …», begann ich, doch sie schnitt mir das Wort ab.
«Nein, lass alles hier», wiederholte sie und führte mich ins Haus. Wenn mich die Casa Rose schon auf den ersten Blick beeindruckt hatte, machte mich mein zweiter geradezu sprachlos. Von der Eingangshalle aus konnte man durch das gesamte Haus hindurch auf einen Balkon und das Meer sehen, das unter der tiefstehenden Sonne glitzerte. Mir blieb der Mund offen stehen. Das hier war ganz eindeutig nicht High Wycombe.
Alex und Karen standen neben mir und lächelten mich an.
«Schön, oder?», fragte Karen. «Ich kann mich an diesem Blick nicht sattsehen.»
«So etwas habe ich noch nie gesehen», hauchte ich atemlos. «Als könnte man vom Balkon direkt in den Indischen Ozean springen.»
«Das ist der Atlantik!», rief eine dröhnende Stimme irgendwo aus der Weite des Hauses.
«Hey, Dad!», rief Alex, woraufhin ihr Vater mit einem Glas (Scotch auf Eis) in der Hand hinter der Bar im Wohnzimmer auftauchte. Alex’ Vater war bestimmt einen Meter neunzig groß, hatte weißes Haar, einen tiefdunklen Teint und dicke, buschige Augenbrauen. Er sah aus wie der überdimensionierte, unheimliche Zwilling von Giorgio Armani. Mit ernster Miene hielt er mir seine gewaltige Hand hin.
«Wenn du zum
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