Du und ich und all die Jahre (German Edition)
geblieben, hätte ich der Versuchung nicht mehr widerstehen können. «Alex wartet sicher auf mich.»
«Ach komm schon!», protestierte er. «Ich habe dich seit … wie lange ist das her? Fünf Jahre? So lange habe ich dich nicht gesehen.»
«So lange ist es noch nicht her», sagte ich. Ich war ein wenig enttäuscht, dass er sich nicht daran erinnern konnte, wann wir uns zuletzt getroffen hatten, denn ich wusste das ganz genau. «Es war bei Julians Achtzehntem.»
«Stimmt», sagte Aidan und lachte. «Ihr beide habt ein paar Trips geschmissen, und dann hast du dir beinahe ein Loch in die Lippe gebissen, weißt du noch?»
Ich schaute weg. Das war mir unangenehm. «Ja, ich erinnere mich dunkel.»
«Und du hast zu mir gesagt, für einen alten Mann sähe ich ganz gut aus.»
«Das habe ich nicht getan!», protestierte ich und fühlte, wie ich wieder rot wurde.
«Doch, hast du», widersprach er und lachte wieder. «Du bist vollkommen abgedreht an dem Abend.»
Warum fühlte ich mich in seiner Gesellschaft immer wie ein Volltrottel? Und wieso schien ihm das auch noch zu gefallen? Und weshalb um alles in der Welt machte mir das was aus?
«Also, erzähl mir von Alex», sagte Aidan. Ich war ihm dankbar, dass er das Thema wechselte. «Wer ist er? Der Kapitän der Rudermannschaft?» Dabei legte er beiläufig den Arm um meine Schultern und flüsterte mir dann ins Ohr: «Hoffentlich ist er nicht eifersüchtig.» Mein Magen verkrampfte sich, und ein Schauer lief mir über den Rücken. Aidan zog mich an sich.
«Frierst du? Ich habe meine Jacke dabei. Die muss hier irgendwo …» Er schaute sich um. «Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, wo ich sie gelassen habe.»
«Schon gut», sagte ich, «mir ist nicht kalt.»
«Bist du sicher?» Er sah mich an, sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt, dann streckte er die Hand aus und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Mein Herz raste.
«Du siehst gut aus, weißt du das eigentlich?», fragte er. «Du siehst richtig gut aus …» Er lehnte sich noch näher zu mir hinüber, legte den Arm eng um meine Taille – es passierte, es passierte wirklich …
«Aidan Symonds!» Und dann passierte gar nichts mehr. Eine laute, durchdringende Stimme zerstörte meinen perfekten Augenblick.
«Hey, hallo!», rief Aidan. Er ließ mich los und sprang auf die Füße. Eine braun gebrannte Blondine mit Perlen im Haar fiel ihm stürmisch um den Hals. Um ihre schlanke Taille trug sie einen leuchtend orangefarbenen Kikoi. Die wusste, wie man sich für eine Strandparty anzieht. Sie flüsterte Aidan etwas ins Ohr, und er lachte. Ich stand ebenfalls auf.
«Ich muss wirklich los, Aidan», rief ich ihm zu. «War schön, dich zu sehen.»
«Ja, ja, wir sollten uns noch mal treffen, dann kannst du mich mit Alex bekannt machen», antwortete er und unternahm dabei einen halbherzigen Versuch, sich aus den Armen der Blonden zu lösen. Lächelnd winkte ich kurz und verschwand. Ich war schrecklich wütend auf mich selbst, weil ich so enttäuscht war.
Im Schatten der Boxentürme tanzte Alex wie ein Derwisch.
«Ein Glück!», rief sie, als sie mich sah, und schlang ihre Arme um mich. «Ich dachte schon, ich hätte dich verloren. Es ist bald Mitternacht! Wo zum Teufel bleiben unsere Drinks?»
«Das ist eine lange Geschichte!», schrie ich zurück, und sie zog mich auf die Planken, die als Tanzfläche dienten.
«Ist auch egal! Die Jungs versorgen uns sicher mit Champagner!»
Um Mitternacht hatte ich mein missglücktes Outfit, meinen peinlichen Sturz und sogar Aidan und die nervige Blonde vergessen. Ich war im Champagnerrausch, Adrenalin pulsierte beim Tanzen durch meinen Körper, und meine beste Freundin war bei mir. Das Einzige, was noch für den perfekten Abend fehlte, war Julian. Punkt Mitternacht sprangen Alex und ich wie wild auf und ab und umarmten uns, während eine Horde Jungs geduldig auf ihren Neujahrskuss von Alex wartete. Als ich sie losließ, wurde ich plötzlich herumgewirbelt, und ehe ich protestieren konnte, hatte Aidan mich schon auf den Mund geküsst.
Für einen Augenblick schien alles in Zeitlupe abzulaufen. Ja, genauso kam es mir vor: Als käme der Rest der Welt fast zum Stillstand, als wäre die Musik plötzlich leiser geworden, der Lärm der Menge verebbt und die Farben verblasst. Es gab nichts mehr außer ihm und mir, zusammen am Strand, seine Arme um meine Taille, seine Lippen auf meinem Mund. Dann trat er einen Schritt zurück, und die Welt wurde wieder
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