Du wirst die Schoenste sein
muss zugeben, ich hatte keinerlei Orientierung mehr, in welche Richtung wir eigentlich flogen. Die Küstenlinie hatten wir längst hinter uns gelassen.
„Ach bitte, nennt mir wenigstens die Himmelsrichtung“, drängte ich die beiden Männer. Ernesto kniff mich grinsend leicht in den Nacken.
Es dauerte geschätzt mindestens eine Stunde ehe ich in der Ferne Land entdeckte.
„Na?“ erkundigte sich Ernesto.
Ratlos zuckte ich mit den Schultern. Wir überflogen Pinienwäldchen, Strandbuchten, Hotels, kleine weiße Häuschen mit knallblauen Türen und Läden ... und endlich machte es click bei mir, beim Blick auf den Hügel mit dem Wahrzeichen Ibizas, den alten Burgmauern.
„Ibiza!“ rief ich laut und begeistert durch die Kabine. Zum Essen einfach so mal rüber nach Ibiza jetten. Wahnsinn!
Echter, herrlich verrückter Wahnsinn bei all den Feinschmeckertempeln auf Mallorca, über die ich in den hiesigen deutschen Zeitungen schon gelesen hatte.
Ob ich schon mal auf Ibiza gewesen sei, wollte Ernesto wissen.
„Ja, ja ...“, murmelte ich nur. Ich musste gucken. Der Pilot nahm sich Zeit und schenkte mir einen Blick über den Hafen, über pittoreske Gässchen. Schweißperlen vor Aufregung rannen mir kitzelnd den Rücken hinunter.
Mit einem sanften Schwenk verließen wir Ibiza Stadt und beim Blick auf das sich geradezu rasend schnell nähernde ausgedörrte Feld unter uns packte mich plötzlich Panik. Zum Glück völlig grundlos, der Pilot brachte uns sicher runter.
„Danke, Ernesto. Danke für die echt tolle Überraschung.“
„De nada“, war seine Antwort. Er lächelte und diesmal nicht mit Kälte im Blick, offensichtlich schmeichelte ihm meine Begeisterung.
Ernesto und ich stiegen um in einen Geländewagen.
„Sie waren also schon mal auf Ibiza ... Und? Wie war’s? Eine große Sause?“
„Oh je ... ich war gerade mal sechzehn und war mit meinen Eltern da.“
Ernesto grinste breit zu mir rüber und winkte ab. Im Grunde war unser Urlaub auf Ibiza damals gar nicht so übel gewesen, ich hatte eine nette Freundin kennen gelernt. Problematisch waren höchstens die unterschiedlichen Ansprüche an ihren Urlaub von Eltern und einer pubertierenden Tochter gewesen, die sich hauptsächlich für Discotheken interessierte.
„Schon Hunger?“
„Nö, ehrlich nicht. Mein Gott, Ibiza! Ich kann es immer noch kaum glauben. Ibiza ... Wahnsinn!“
Während wir durch kleinere Ortschaften fuhren, die, wie ich fand, nur wenig Ähnlichkeit mit jenen auf Mallorca hatten, erfuhr ich Näheres über das für mich geplante heutige Programm.
„Sie legen sich in die Sonne, genießen einen Eisbecher mit tropischen Früchten und blättern in der neuesten Vogue, okay?“
Mehr als okay für mich.
Versteckt hinter einer mannshohen Hecke feuerrot blühender Bougainvillea lag der Eingang zum Restaurant. Eine bildschöne Blondine begrüßte Ernesto auf die Art wie überall auf der Welt potente Stammgäste begrüßt werden – vermutete ich zumindest, damals hatte ich natürlich von solchen Dingen noch keine Ahnung – und führte uns durch einen im Dämmerlicht liegenden, menschenleeren Restaurantbereich und dann öffnete sie eine Tür.
Ich stand starr.
Beide, Ernesto wie auch die Empfangsdame wandten sich mir lächelnd zu.
„Na, kommen Sie“, strahlte Ernesto. Einen Arm um meine Schultern gelegt, zog er mich kurz an sich. Und genau das überraschte mich mehr als das zauberhafte Bild, das sich mir bot. Ernesto hatte mich zum ersten Mal in den Arm genommen. Wenn auch nur für Sekunden, ehe wieder gut ein halber Meter Abstand zwischen uns lag.
Erst jetzt nahm ich die großzügige offene Anlage des „Inspiration“ genannten Beachclubs, wie Ernesto mir später erklärte, wirklich wahr.
Im Hintergrund blähten sich Bahnen feinen weißen Stoffes, schwebten sanft auf und nieder im milden Lüftchen vom Wasser her, sorgten für Schatten auf den Tischen und Stühlen dort und gaben immer wieder Blicke frei auf das im Sonnenlicht gleißende Wasser dahinter. Wie ich später, beim Essen mit Ernesto an einem der Tische an den mit Stoffbahnen versteckten Schiebefenster entdeckte, lag der Beachclub schwindelerregend nah an einer Steilküste. Tief unter uns leckten müde kleine Wellen an den Felsen.
Links von mir war der obligatorische Pool mit stylischen Liegen und mit der Möglichkeit, sich – wiederum durch weiße Stoffbahnen – kleine private Räume zu schaffen.
Auf der gegenüberliegenden Seite, fast versteckt hinter mehreren
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