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Du wirst noch an mich denken

Du wirst noch an mich denken

Titel: Du wirst noch an mich denken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Andersen
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musste. Es war jedes Mal ein bisschen so, als überquerte er auf Zehenspitzen ein Minenfeld, er konnte nie sicher sein, ob er sich nicht verrechnet hatte und ihm im nächsten Augenblick alles um die Ohren fliegen würde. Als Junge hatte er das aufregend gefunden, aber je älter er wurde, desto zermürbender wurde es, und inzwischen hatte er einfach die Nase voll davon.
    Weder ihm noch seinen Brüdern war sehr viel elterliche Erziehung zuteil geworden. Sie hatten nur ihre Mutter, und die hatte zwar ihr Bestes getan, aber allein um sicherzustellen, dass ihre vier Söhne satt wurden, ein Dach über dem Kopf und Schuhe an den Füßen hatten, hatte sie neben ihrer Ganztagsstelle noch einen Nebenjob annehmen müssen. Sein Vater hatte sich schon vor so langer Zeit aus dem Staub gemacht, dass James sich kaum noch an ihn erinnern konnte. Seine Lehrmeisterin, und die seiner Brüder, war daher die Straße, und die konnte mitunter ganz schön brutal sein. Wie es aussah, hatte jeder der vier Ryder-Jungen eine andere Lektion von ihr gelernt.
    Otis' Mutter gebührte das Verdienst, ihm einen Großteil der Werte vermittelt zu haben, die er sich schließlich irgendwann zu Eigen gemacht hatte. Muriel Jackson führte ein strenges Regiment in ihrer Familie, und nachdem er ständig bei ihnen herumhing, konnte es nicht ausbleiben, dass er in den Drill miteinbezogen wurde. Sie hatte sehr genaue Vorstellungen davon, was richtig und was falsch war, und hielt damit nicht hinter dem Berg. Und sie hatte keine Hemmungen, jedem, der dumm genug war, ihre Regeln zu missachten, eine gehörige Tracht Prügel zu verabreichen, und auch hier galt für James keine Ausnahme.
    Dank ihres Einflusses spielten Fleiß und Ehrgeiz schon früh eine wichtige Rolle in seinem Leben. Die Straße konnte ihm nach und nach immer weniger von dem bieten, was er letztlich erstrebte, und Otis' Mutter machte ihm klar, dass ihm niemand das, wovon er träumte, auf dem Silbertablett servieren würde. Nachdem er das erkannt hatte, machte er sich mit der ihm eigenen hartnäckigen Entschlossenheit daran, das Angestrebte auf eigene Faust zu erreichen.
    Er setzte sich drei Ziele, und wenn sie einem Außenstehenden vielleicht nicht gerade weltbewegend erscheinen mochten, so waren sie für jemanden, der in Terrace wohnte, doch ziemlich ehrgeizig. Erstens wollte er eine bessere Ausbildung als nur einen Highschool-Abschluss. Schon das allein war in einem Viertel, in dem ein Abschlusszeugnis von der Highschool als triumphaler Erfolg betrachtet wurde, höchst ungewöhnlich. Zweitens sah er Schönheit dort, wo die meisten anderen nur Verfall sahen, und er nahm sich vor, eines Tages ein eigenes Haus zu besitzen, das dank seiner Hände Arbeit wieder in seinem einstigen Glanz erstrahlen sollte. Drittens, und dieses Ziel war das wichtigste und gleichzeitig am schwierigsten zu erreichen, wollte er sich mit dem Zeichnen von Cartoons seinen Lebensunterhalt verdienen.
    Nummer eins war leicht zu verwirklichen. James ging es nicht darum, ein Diplom vorzuweisen, er wollte einfach nur etwas lernen. Aus diesem Grund arbeitete er tagsüber auf dem Bau und besuchte das College, wann immer es seine Zeit zuließ. Seine Interessen waren sehr selektiv, und er verfolgte sie mit Eifer.
    Nummer zwei und Nummer drei waren leider weniger leicht zu erreichen. Neben dem, was er selbst zum Leben brauchte, den Kosten für die Beerdigung seiner Mutter im dritten Jahr nach Beendigung der Highschool und den Bedürfnissen seiner Brüder war es praktisch unmöglich, Geld zu sparen. Und es war auch nicht gerade so, dass man ihm die Tür einrannte und darum bettelte, seine Cartoons veröffentlichen zu dürfen. Er hatte natürlich mit anfänglichen Absagen gerechnet, aber er war nicht darauf vorbereitet gewesen, wie verheerend sie sich auf sein Selbstvertrauen auswirken würden. Eine Ablehnung tat weh, da gab es nichts zu beschönigen. Sie nagte an seinem Ego und ließ ihn an seinem Talent zweifeln. Machte er sich nur etwas vor? Verdammt, wahrscheinlich war es so - wie oft hatte er von den Leuten nur verständnislose Blicke geerntet, wenn er seinem Sinn für Humor Ausdruck verliehen hatte? Vielleicht waren seine Zeichnungen gar nicht so witzig, wie er gern glauben wollte.
    Otis meinte, das wäre absoluter Quatsch, und tief in seinem Inneren dachte James das auch. Aber manchmal kostete es ihn eine gewaltige Anstrengung weiterzumachen. Ihm blieb sowieso kaum eine freie Minute. Warum sollte er da die wenige Freizeit, die er

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