Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du wirst noch an mich denken

Du wirst noch an mich denken

Titel: Du wirst noch an mich denken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Andersen
Vom Netzwerk:
Mal hatte er den Karren wirklich in den Dreck gefahren, und er hatte keine Ahnung gehabt, wie er ihn wieder herausziehen sollte. Was ihm anfangs wie eine großartige Idee vorgekommen war, war ihm so schnell aus den Händen geglitten, dass er überhaupt keine Gelegenheit gehabt hatte, darüber nachzudenken, wie er das anstellen sollte.
    Aber sie hatte es geschafft. Sie hatte die Spannung gelöst und ihm gleichzeitig zu verstehen gegeben, dass sie nichts weiter von ihm erwartete.
    Er stieß sie leicht mit dem Ellbogen an. »Jetzt kommen Sie schon, geben Sie's zu. Das war der beste Kuss, den Sie jemals gekriegt haben.«
    Stimmt, so war es. Aber das würde sie ihm gewiss nicht auf die Nase binden. Sie wiegte mit vorgeschobener Unterlippe den Kopf hin und her, als wäre sie da nicht so sicher.
    »Dann lassen Sie es eben bleiben, mir doch egal, was Sie denken«, murmelte er gespielt gekränkt, »Sie können mich jedenfalls nicht beleidigen.« Dann wurde seine Miene wieder ernst, und er sah sie prüfend an. »Alles in Ordnung, Magnolie?«
    »Ja.« Sie streckte die Hand aus und legte sie leicht auf seinen Arm. »Danke für alles, was Sie heute für mich getan haben.« Sie betete im Stillen darum, dass sie nicht knallrot wurde, als sie daran dachte, was dieses »alles« beinhaltete, und redete schnell weiter. »Sie und Lola haben mir heute Abend wirklich sehr geholfen, und dafür bin ich Ihnen dankbar ... das meine ich ernst.«
    James trat verlegen von einem Fuß auf den anderen, und sie versetzte ihm einen kleinen Schubs zur Tür hin. »Jetzt gehen Sie schon. Ich weiß ja, dass Sie heute noch zu arbeiten haben, und ich muss die Jungs ins Bett bringen.«
    Der Gedanke an die Galerie halb nackter Männer an ihrer Schlafzimmerwand entlockte James ein Schnauben. »Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, wenn ich Sie nicht darum bitte, dass Sie jedem einen Gutenachtkuss von mir geben.« Er öffnete die Tür, blieb dann jedoch noch einen Augenblick stehen und sah sie nachdenklich an. Schließlich sagte er: »Gute Nacht, Aunie.«
    »Gute Nacht, James. Träumen Sie was Schönes.«
    Sie schloss die Tür hinter ihm und lehnte sich dagegen. Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass sie sich die letzte Bemerkung besser hätte verkneifen sollen.
    Nach der Mitteilung über Wesleys Entlassung aus dem Gefängnis und diesem unglaublichen Kuss von James würde sie heute Nacht sicher nicht so leicht Schlaf finden. Sie fürchtete, dass sie schon jetzt nur zu gut wusste, wovon sie träumen würde - vorausgesetzt, sie würde überhaupt träumen und das war wirklich das Letzte, was sie brauchte.
    Warum musste der leidenschaftlichste Kuss, den sie jemals in ihrem Leben bekommen hatte, ausgerechnet von diesem Mann sein?

6
    L ange bevor James einen richtigen Bizeps vorweisen konnte, verfügte er bereits über einen messerscharfen Verstand. Vielleicht war das der Grund dafür, dass die Verantwortung für die Familie auf seinen Schultern gelandet war.
    Der Älteste war er jedenfalls nicht, daran konnte es also nicht liegen. Vielmehr war er der zweitjüngste der vier Ryder-Brüder. Aber er war schnell von Begriff und nicht auf den Mund gefallen, und mochten seine Methoden auch eigenwillig sein, waren sie doch nicht weniger wirkungsvoll, und so war es gekommen, dass ihm seit seinem sechzehnten Lebensjahr die Aufgabe zufiel, dauernd für seine Brüder die Kastanien aus dem Feuer zu holen.
    Schon damals war es immer nach dem gleichen Muster abgelaufen: Seine Brüder waren irgendwie in Schwierigkeiten geraten, und James hatte umgehend alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihnen wieder herauszuhelfen. Für einen Heranwachsenden, der kein Geld hatte und in einem Viertel wohnte, dessen Bewohner in der Gesellschaft nicht gerade angesehen waren, waren seine Mittel erstaunlich effizient. Er nutzte seine Intelligenz, seinen schrägen Sinn für Humor, seine rasche Auffassungsgabe und - als er älter wurde - eine unverblümte Sprache und den Ruf, unberechenbar zu sein und vielleicht sogar ein bisschen verrückt. Die Leute wussten nie, woran sie waren, wenn James Ryder lächelte und einen Witz riss, über den man unwillkürlich lachen musste, um dann im nächsten Augenblick die schlimmsten Schimpfwörter von sich zu geben und dabei ein Gesicht zu machen, als würde er ohne zu zögern jedem die Kehle aufschlitzen, der sich zwischen ihn und seine Ziele stellte.
    Trotzdem hatte er es immer geschafft, offene Gewalt zu vermeiden, wenn er einem seiner Brüder die Haut retten

Weitere Kostenlose Bücher