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Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
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wäre es ja am besten für alle, wenn du wirklich in ein Iglu ziehst.»Sie öffnete die Tür, ging aber nicht hinaus, sondern blieb im Rahmen stehen.«Hat Rainer Maria angerufen?»
    «Weiß ich nicht», sagte ich.«Das Telefon hat ein paarmal geklingelt, aber ich bin nicht drangegangen.»
    «Warum denn nicht?»
    «Ich habe keinen Anruf erwartet.»
    «Ja - dich ruft nie jemand an, nicht wahr?»
    «Viele werden angerufen, aber wenige sind auserwählt.»
    Gillian schüttelte den Kopf, ging und schloss die Tür hinter sich. Ich wartete ein paar Minuten und ging dann mit Miró nach draußen. Wir bummelten einmal um den Block und setzten uns dann auf die Treppe vor dem Haus. Miró sitzt gern auf der obersten Stufe und blickt auf die Leute und Hunde hinunter, die vorübergehen. Und ich mag es auch, vor allem an einem späten Sommerabend - es ist wie ein langsamer, dunkler Festzug. Ein junger Mann und eine junge Frau kamen vorbei - ein gut aussehender junger Mann und eine hübsche junge Frau, der Mann trug einen Leinenanzug und die Frau ein altmodisches Sommerkleid -, sie gingen ein Stückchen voneinander entfernt, mit einem kleinen Abstand zwischen sich, der Mann sah geradeaus, und die Frau hatte die Arme vor der Brust verschränkt, sie umarmte sich selbst und sah hinunter auf ihre Füße, auf ihre Zehen, die aus den vorne offenen Schuhen hervorlugten, und beiden lag das gleiche freudig zurückgehaltene Lächeln auf dem Gesicht, und ich wusste, dass sie frisch verliebt waren, vielleicht hatten sie sich beim Abendessen in irgendeinem Restaurant mit Garten oder Tischen auf dem Gehsteig ineinander verliebt, vielleicht hatten sie sich noch nicht einmal geküsst, und sie gingen ein wenig voneinander entfernt, weil sie dachten, dass sie ja noch ihr ganzes Leben hätten, um eng beieinander, Arm in Arm, zu gehen, und weil sie den Moment der Berührung so lange wie möglich hinauszögern wollten, und sie gingen vorüber, ohne Miró und mich zu bemerken. Irgendetwas an ihnen machte mich traurig. Ich glaube, es war einfach zu schön: der Sommerabend, die offenen Schuhe, ihre Gesichter, ganz versunken in die in diesem Augenblick aufgestaute Freude. Ich spürte, dass ich Zeuge ihres glücklichsten Moments, des Gipfels, geworden war, und sie entfernten sich bereits wieder davon, doch sie ahnten es nicht.
    Miró weiß immer, wenn ich traurig bin. Er legte mir die Pfote aufs Knie und winselte leise. Vielleicht war das ja nur seine Art, mir mitzuteilen, dass er wieder ins Haus und seinen Hundekuchen haben und in sein Körbchen wollte, doch in der Geste lag eine Zärtlichkeit, die mich tröstete.
     
    Als ich schlafen ging, konnte ich eine der Selbsthilfe-CDs meiner Mutter hören, deren Klang aus ihrem geöffneten Fenster in meins sickerte. Ich lag im Bett und lauschte. Eine ruhige Frauenstimme sprach, ohne jegliche Modulation oder Betonung, und jeder Satz wurde mit einem Gongschlag angekündigt:
    Die Vergangenheit kann nicht über die Zukunft bestimmen.
    Du kannst mehr, als du denkst.
    Liebe ist nie verschwendet.
    Lerne immer weiter.
    Suche nach Schönheit.
    Dein Schlaf und deine Träume reinigen dich.
    Du nimmst Leid und Kummer der anderen nicht ernst, wenn du dich davon besiegen lässt.
    Habe Vertrauen in die Natur.
    Niemand kann all das, was du kannst.
    Würdige die Kraft und Schönheit deines Körpers.
    Betrachte eine Niederlage als Herausforderung.
    Glaube an das, was du liebst.
    Gutes zu tun, verleiht Kraft. Öffne dich für die Liebe der anderen.
    Erschaffe dein Leben täglich neu.
    Alles ist ständig im Fluss. Nichts bleibt.
     
    Nach etwa zehn Minuten hörte die Stimme auf, ihre Weisheiten zu verkünden, aber der Gong schlug weiter. Jeder Schlag war leiser als der vorangehende, und der Abstand zwischen den Schlägen wurde immer länger, bis irgendwann gar kein Gongschlag mehr ertönte.

13
    Dienstag, 29. Juli 2003
    Am nächsten Tag kam John nicht zur Arbeit. Als ich um zehn Uhr in der Galerie eintraf, hatte er bereits die Nachricht hinterlassen, er leide«unter dem Wetter»und werde zu Hause bleiben. Es war ein heißer, sonniger Tag, und ich hoffte, dass er an den Strand gefahren war, aber ich fürchtete, dass das, was am Abend zuvor geschehen war, etwas damit zu tun haben könnte, dass er nicht zur Arbeit erschienen war.
    Ich fühlte mich sehr schlecht, weil ich John so vor den Kopf gestoßen hatte.
    Meine Mutter kam an diesem Vormittag ebenfalls nicht, aber daran war nichts Ungewöhnliches. Meine Mutter vertrat die Ansicht, dass

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