Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist
gespenstisch ruhig und still. Sie wohnt in einer dieser Gegenden, wo die Kinder zu reich und zu privilegiert sind, um so etwas Simples zu tun, wie draußen zu spielen. Sie waren alle beim Geigenunterricht oder in Judokursen, oder sie waren zum Reiten und Theaterspielen ins Ferienlager gesteckt worden. Leben zeigten einzig diese klackenden Rasensprenger, aus denen funkelnde Wasserfontänen in einem flachen Bogen über vollkommen grüne Rasenflächen schossen. Der Bürgersteig ist alt und besteht aus einzelnen Betonplatten, die von den Wurzeln der Bäume und den ständigen Erschütterungen Risse bekommen haben. Sie waren warm und staubig. Ich dachte an die Gehsteige in der Stadt, daran, wie rau die meisten sind, und dass man niemals den Wunsch verspüren würde, sich hinzulegen und die Wange daraufzubetten. Aber die Bürgersteige in der Straße meiner Großmutter sind anders, sie sind wie Ruinen aus dem alten Rom, gereinigt und geadelt durch die Zeit, sauber gebacken von der Sonne.
Die Eingangstür vom Haus meiner Großmutter war zu. Ich klopfte, aber niemand antwortete mir, also ging ich um das Haus nach hinten. Auf dem Tisch auf der Veranda stand eine leere Kaffeetasse, und in einem schiefen Aschenbecher, den Gillian in einem zarten, talentfreien Alter angefertigt hatte (nicht, dass sie mit den Jahren zu einer talentierten Töpferin geworden wäre), lag eine halb gerauchte, ausgedrückte Zigarette. Meine Großmutter hat früher sehr viel geraucht, aber jetzt raucht sie nur noch zwei Zigaretten am Tag: eine am Morgen, nach dem Frühstück, und eine am Abend, nach dem Abendessen. Immer draußen auf der Veranda. Am Rand der Kaffeetasse leuchtete ein scharlachroter Lippenstiftfleck, und mir gefiel der Gedanke, dass meine Großmutter morgens als Erstes Lippenstift aufträgt, selbst wenn sie den ganzen Tag über womöglich niemanden sehen sollte.
Ich spähte durch das Fliegengitter in die Küche. Sie war nicht da, aber das Radio war an (der Nachrichtensender), also trat ich in die Küche und rief nach ihr. Ich wusste, wenn das Radio an war, musste sie im Haus sein, denn sie würde niemals ausgehen und es anlassen. Sie hat ein Hörgerät, aber sie trägt es nur selten, vor allem, wenn niemand da ist.
Im Erdgeschoss schien sie nicht zu sein, daher ging ich nach oben. Die Tür zu ihrem Schlafzimmer stand einen Spalt weit offen, und ich schaute hinein und sah sie auf dem Bett liegen, auf dem Bauch, die Arme und Beine wie hingeworfen in alle vier Ecken. Es sah aus, als wäre sie aus großer Höhe auf das Bett gefallen. Ich wusste genau, dass meine Großmutter niemals so schlafen würde; es hatte etwas Unheimliches. Ihr Gesicht war mir zugewandt, die untere Hälfte in die Tagesdecke gedrückt, und es sah aus, als hätte sie gesabbert. Ich dachte, sie wäre tot.
Einen Augenblick lang blieb alles stehen, als hätte jemand PAUSE gedrückt. Und dann hörte ich sie schnarchen und wusste, sie war nicht tot.
Ich trat ins Zimmer und ging zum Bett und sagte, Nanette, aber sie wachte nicht auf. Ich konnte sehen, wie sich ihre Augen hinter den beinahe durchsichtigen Lidern bewegten. Manchmal habe ich Angst um ihre Haut - auf den Handrücken, den Augenlidern -, es scheint, als wäre sie so abgenutzt, dass sie dadurch fast unerträglich dünn geworden ist, wie Stoff, den zu viel Zeit und zu viel Licht zerschlissen haben. Ich fragte mich, was sie wohl träumte. Wenn es ein schöner Traum war, wollte ich sie nicht wecken. Also setzte ich mich auf einen der unbequemen antiken Stühle neben der Kommode.
Das sanfte Licht des Sommerabends sickerte durch die Bäume rings ums Haus und fiel in goldenen Bahnen durch das Schlafzimmerfenster. Ich konnte das Klicken und Klacken des Rasensprengers von nebenan hören. Und eine Biene, die hinter dem Fliegengitter gefangen war, sie summte und warf sich sachte wieder und wieder gegen das Netz, als hätte sie alle Zeit der Welt, als könnte sie ja irgendwann ein Loch im Gitter entdecken und fortfliegen. Ich dachte daran, wie geduldig und sanftmütig so viele niedere Lebensformen doch sind, wie sie auf etwas vertrauen, was jenseits des menschlichen Verständnisses liegt.
Ich saß etwa eine Stunde lang dort. Vielleicht bin ich auch selbst eingeschlafen, aber das glaube ich nicht. Meine Gedanken schweiften nur irgendwie ab, ich vergaß, wer und wo und was ich war. Ließ einfach nur alles los, stülpte mein inneres Netz um und ließ all die sorgenvollen, verzweifelten Fische davonschwimmen.
Und dann hörte
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