Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist
wieder zurückbewegen. Einen Augenblick später streckte sie die Hand aus, legte sie mir aufs Knie und sagte:«Stimmt etwas nicht?»
«Ja», sagte ich.
«Das tut mir wirklich leid», sagte sie. Sie wartete darauf, dass ich etwas sagte, und als ich schwieg, lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück.«Möchtest du es mir erzählen?»
«Ja», sagte ich,«aber ich glaube, ich kann nicht. Ich bin mir nicht sicher, was es ist. Es ist nicht nur eine Sache. Es ist alles.»
«Alles», sagte sie, mehr bestätigend als fragend.
«Es fühlt sich an wie alles», sagte ich.
«Nun, vielleicht gibt es eine Einzelheit, ein Stück von dem Ganzen, das du mir erzählen kannst. Weswegen bist du hierhergekommen? »
«Ich konnte nirgendwo anders hin. Oder wollte nirgendwo anders hin.»Mir wurde klar, wie schrecklich das klang, als wäre sie meine letzte Zuflucht. Aber auf eine gewisse Weise stimmte das. Ich fühlte mich elend.
«Nun, du bist hier stets willkommen», sagte meine Großmutter.«Wir können einfach nur hier sitzen und Musik hören, wenn du möchtest. Hast du Hunger? Magst du ein paar Nüsse? »Sie nahm die Schale und hielt sie mir entgegen.
«Nein, danke», sagte ich.
Sie stellte die Schale zurück auf den Tisch und rückte sie zurecht, wie sie es mit ihrem Drink gemacht hatte. Meine Großmutter verbringt einen großen Teil ihres Lebens damit, Gegenstände zurechtzurücken, ein paar Zentimeter hierhin oder dorthin, als gäbe es für alles einen perfekten Platz.
Eine Minute lang oder zwei hörten wir Musik, und dann sagte sie unvermittelt:«Ich möchte nicht, dass du auf falsche Gedanken kommst. Normalerweise schlafe ich nachmittags nicht. Das habe ich nie getan. Weißt du, mein Vater duldete das nicht. Er war der Meinung, dass so etwas schlecht für einen ist, und schlecht fürs Geschäft. Schlecht für das Land. Er hat viele Geschäfte in Europa gemacht, und in Italien und Spanien waren die Büros den Nachmittag über geschlossen, alle gingen nach Hause und hielten ein Nickerchen. Eine Siesta. Oder taten etwas noch viel Schlimmeres, viel Verwerflicheres als ein bisschen zu schlafen, so etwas argwöhnte er ganz sicher. Das brachte ihn auf. Er war ein richtiger Griesgram und traute niemandem über den Weg, der das Leben zu sehr genoss. Darum ging es im Leben nicht, zumindest soweit es ihn betraf. Ich weiß noch, einmal kam ich von einer Party und schwärmte vom Essen dort - ich glaube, es hatte Hummer in Wein-Sahne-Soße gegeben oder etwas ähnlich Exotisches -, und er sagte mir, es gehöre sich nicht, so über Essen zu sprechen. Essen könne gar nicht so gut sein, und wenn es tatsächlich so gut sei, dann stimme etwas damit nicht. Wir hatten zu Hause immer sehr einfache Kost. Er aß nichts, was einen fremdländischen Namen trug. Und er nahm keine Soße zu seinem Fleisch, denn das hielt er für maßlos. Das musst du dir einmal vorstellen - Soße! Er versuchte, auch uns davon abzuhalten, Soße zu nehmen, aber das ließ meine Mutter nicht zu. Er erlaubte ihr, uns gegenüber nachsichtig zu sein, aber er tat so, als wäre er darüber entrüstet. Vielleicht war er das ja auch.
Deshalb schlafe ich nachmittags für gewöhnlich nicht. Ich fühle mich immer noch schuldig dabei. Aber heute Nachmittag saß ich draußen auf der Veranda und las eine Zeitschrift, und dabei muss ich eingeschlafen sein, denn ich wachte auf und fühlte mich ganz merkwürdig. Ich wusste nicht, wo ich war. Es dauerte eine Minute, und dann war alles wieder da, aber ich war immer noch müde. Also dachte ich mir, ich lege mich ein paar Minuten hin, und ging nach oben. Das war so um drei. Und jetzt -«, sie sah auf ihre Armbanduhr,«- jetzt ist es halb sieben. Ich werde wohl langsam alt.»
«Wie geht es dir jetzt? Bist du immer noch müde?»
«Nein», sagte sie, aber in einem müden Ton. Und sie sah auch müde aus. Als wüsste sie, was ich dachte, sagte sie:«Ich bin putzmunter. Obwohl ich ja nicht weiß, wieso man ausgerechnet putzen soll, wenn man munter ist.»Sie hielt inne und lächelte mir zu. Mir fiel auf, dass das rosa Lächeln nicht ganz akkurat auf ihren Lippen saß. Ich blickte in mein Glas. Meine Großmutter redete weiter über das Putzen und das Muntersein, aber ich hörte nicht recht zu. Und dann merkte ich, dass sie aufgehört hatte zu reden, also schaute ich zu ihr hoch. Sie sah mich einen Moment lang an und sagte:«Ach, James. Warum erzählst du mir nicht, was los ist?»
Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Vielleicht lag es am
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