Du wirst sein nächstes Opfer sein: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
schließlich hatte er keinen Grund, Henshaw zu töten. Die Polizei in North Dakota hat das Gift, das den Vergewaltiger getötet hat, zwar im Wein entdeckt, aber angeklagt wurde niemand. Denn abgesehen davon, dass er ihm regelmäßig Lebensmittel verkauft hat, hatte der Angestellte ganz offensichtlich keine Verbindung zu dem Opfer. Selbst im Fall Hampton – niemand wird glauben, dass eine erfolgreiche Zahnärztin in Beverly Hills einen Patienten umbringen würde, nur weil sie mit einem Gerichtsurteil nicht einverstanden ist.«
Nikki hatte die Gewichte ein letztes Mal gestemmt und hängte sie in die Vorrichtung über ihrem Kopf ein. Schwer, aber gleichmäßig atmend, setzte sie sich auf. »Jack. Weißt du, wie der einfachste Betrügertrick funktioniert? Typ bekommt einen Brief, in dem drinsteht, welche Mannschaft gewinnen wird. Mannschaft gewinnt. Typ kriegt wieder einen Brief mit einem anderen Tipp. Wieder dasselbe, die Mannschaft gewinnt. Nach drei oder vier Briefen – mit jeweils richtigen Tipps – kommt einer, in dem der Absender Geld für den nächsten Tipp fordert. Typ bezahlt. Mannschaft verliert. Siehst du, wie das funktioniert?«
»Ja. Statistik. Der Schwindler schickt in der ersten Runde ein paar Dutzend Briefe an verschiedene Leute. Bei der Hälfte setzt er auf die eine Mannschaft, bei der anderen Hälfte auf die zweite. Nur an diejenigen, die richtige Tipps bekommen haben, schickt er weitere Briefe und immer so weiter. Jedes Mal halbiert sich die Zahl der armen Trottel, bis nur noch ein oder zwei Bekloppte übrig bleiben, die meinen, das wäre eine sichere Karte.«
Nikki hob ein Handtuch auf und warf es sich über den Nacken. »Genau. Und in den guten alten Vereinigten Staaten von Amerika gibt es verdammt viel Potenzial, um solche Wahrscheinlichkeiten auszunutzen. Und genauso hat dieser Kerl nun eben ein paar Zeitungsartikel aufgeschnappt, die in sein Muster passen. Na und? Das heißt noch lange nicht, dass er magische Kräfte besitzt, um die Gedanken anderer Leute zu beherrschen.«
»Nein, das nicht. Aber dieser Punkt bereitet mir auch gar kein Kopfzerbrechen.« Jack setzte sich neben sie auf die Bank. »Bei dem Unfall, der diesen Bürgermeister in Arkansas das Leben gekostet hat, gab es noch weitere Opfer. Seine Frau und seine beiden Kinder saßen mit ihm im Wagen. Und in dem Pick-up, in den sie hineinrasten, fuhr ein über sechzigjähriges Pärchen. Nur eines der beiden Kinder hat überlebt, und es wird den Rest seines Lebens als Waise in einem Rollstuhl verbringen.«
Nikki sah Jack schweigend ins Gesicht.
»Der Vergewaltiger, der vergiftet wurde, hatte sich die Weinflasche mit einem Date geteilt. Sie ist ebenfalls daran gestorben.«
»Menschen sterben, Jack. Deshalb muss dieser Typ noch lange nicht dafür verantwortlich sein.«
»Ich weiß. Aber ich kann dem jetzt auch nicht mehr den Rücken kehren. Nicht, bis ich mir sicher sein kann.«
4
M alcolm Tanner summte ein Lied der Beatles mit, während er den schmalen Waldweg entlangfuhr. Aufgrund des Allradantriebs seines Geländewagens und der hochbelastbaren Stoßdämpfer bereiteten ihm die tiefen Spurrillen und die steilen Gefälle keine Schwierigkeiten. Den Mix, den er hörte, hatte er sich selbst zusammengestellt. Eben ging »Maxwell’s Silver Hammer« zu Ende, und die ersten Takte von »Mack the Knife« erklangen.
Auf beiden Seiten drängten sich die Bäume, doch der dichte, grüne Urwald war derzeit mit Schnee bedeckt. Tanner war ein ziemlicher Stadtmensch – der Geländewagen war eher ein Statussymbol. Dennoch musste er zugeben, dass er diese kleinen Fahrten in den Wald genoss. Nicht einmal das eisige Novemberwetter konnte seine Begeisterung dämpfen. Er hatte Heizung und Musik voll aufgedreht.
Ein weiteres Mal warf er einen Blick auf die Navi-Anzeige, um sich zu vergewissern, dass er in die richtige Richtung fuhr. Sein Ziel befand sich ungefähr hundert Meter weiter im Osten, während der Waldweg an dieser Stelle von Norden nach Süden verlief. Wahrscheinlich komme ich nicht näher heran, dachte er und brachte den Wagen zum Stehen.
Er stöpselte das Navigationsgerät aus, um es mitzunehmen, und zog sich die Kapuze über den Kopf, bevor er ausstieg. So schrecklich kalt war es gar nicht, aber Tanner mochte es nicht, auch nur ein bisschen zu frieren. Seine Goretex-Jacke, die er bei einer kanadischen Ladenkette für Outdoor-Bedarf gekauft hatte, war speziell für dieses feuchte Klima im Nordwesten gemacht. Sie war nagelneu, ebenso
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