Dublin Street - Gefaehrliche Sehnsucht
hatte, dass ich nicht nur ständig im Apartment herumsitzen konnte, und er hatte auf dem Sofa gegenüber der Theke direkt in meinem Blickfeld Posten bezogen und abwechselnd mich beobachtet und mit hübschen Mädchen geflirtet. Ich nahm an, das war der ›Mich-auf-die-Palme-bringen‹-Teil seines Versprechens.
Deswegen war ich überrascht, als er sich am Donnerstag nicht blicken ließ.
Ellie war noch wach, als ich von der Arbeit nach Hause kam. Sie schlich aus ihrem Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich. »Adam schläft«, flüsterte sie, als sie mir ins Wohnzimmer folgte.
Ich grinste sie über die Schulter hinweg an. »Kein Wunder. Du musst den armen Jungen ja richtig ausgelaugt haben.«
Ellie verdrehte die Augen und ließ sich neben mich auf die Couch plumpsen. »Nein, das stimmt so nicht. Na ja … irgendwie doch.« Sie errötete, ihre Augen strahlten vor Glück. »Hauptsächlich reden wir. Klären einige Dinge. Diese ganzen Missverständnisse. Anscheinend war er schon eine ganze Zeit lang in mich verliebt.«
»Ach, tatsächlich?«
»Sehr komisch.«
»Wo wir gerade von komisch sprechen – Braden war heute gar nicht in der Bar.«
Seine Schwester musterte mich forschend. »Sein neuer Manager brauchte heute Abend Hilfe. Warst du enttäuscht, weil er nicht vorbeigekommen ist?«
»Nein«, wehrte ich schnell ab. Wahrscheinlich zu schnell. Verdammt, ich vermisste die Prä-Braden-Joss. »Mir ist nur aufgefallen, dass ein aufgeblähtes Ego im Raum fehlte, und ich dachte, hey, wo steckt denn Braden?«
Ellie lachte nicht, sondern maß mich mit einem mütterlich-forschenden Blick. »Braden hat recht. Du liebst ihn. Warum greifst du dann zu dieser Hinhaltetaktik? Macht es dir Spaß, wenn er dir nachläuft? Ist es das?«
Ich hob eine Braue. »Der Tumor hat wohl deine bissige Seite zum Vorschein gebracht, was?«
Sie verzog das Gesicht.
»Zu früh für Tumorwitze?«
Sie sah mich tadelnd an.
»Gibt es überhaupt eine Zeit für Tumorwitze?«
»Nein, Joss. Die gibt es nicht.«
Ich zuckte zusammen. »Sorry. Das war fies von mir.«
»Nein. Fies ist es, meinen Tumor als Vorwand zu benutzen. Ich liebe dich wirklich, Joss, aber ich liebe auch meinen Bruder. Warum tust du ihm das an?«
»Ich tue ihm das nicht an . Ich tue es für ihn.« Ich drehte mich zu ihr um und sah sie ernst an, während ich versuchte, ihr begreiflich zu machen, was ich meinte. »Ich kann mit unguten Situationen schlecht umgehen. Darauf bin ich nicht stolz, aber es ist nun einmal so. Denk doch daran, wie ich dich im Stich gelassen habe, als du mich brauchtest. Als Braden mich brauchte.«
»Aber du bist zurückgekommen«, gab sie zu bedenken. »Du hattest einen Schock, aber du bist zurückgekommen, und seitdem warst du ständig hier.«
»Braden hat dafür gesorgt«, gestand ich. »Er musste mich zur Vernunft bringen. Und als er das getan hat, ist mir klar geworden, dass ich weder mich noch die Menschen um mich herum vor Unglück schützen kann. Und wie es aussieht, folgt mir das Unglück auf Schritt und Tritt, also wird in absehbarer Zeit wahrscheinlich wieder etwas passieren. Wenn das der Fall ist, kann ich nicht dafür garantieren, dass ich nicht wieder die Nerven verliere, und das kann ich Braden nicht antun. Mit mir würde sein Leben absolut unbeständig verlaufen, und nachdem dieses Luder von Ehefrau ihm die Hölle auf Erden bereitet hat, verdient er jemanden, bei dem er Frieden finden kann.«
»Joss, du redest, als hättest du irgendeine Geisteskrankheit. Aber das stimmt nicht. Dein einziges Problem besteht darin, dass du dich nicht dem stellen willst, was deiner Familie zugestoßen ist, und anfängst, es zu verarbeiten.«
Ich ließ den Kopf gegen die Couchlehne zurückfallen. »Du klingst wie Dr. Pritchard.«
»Wie wer?«
»Meine Therapeutin.«
»Du gehst zu einer Therapeutin? Wie kommt es, dass ich nichts davon weiß?« Sie gab mir einen Klaps auf den Arm.
»Hey.« Ich zuckte zusammen und machte mich von ihr los.
»Genau das meine ich.« Ellie war aufgebracht, ihre Augen blitzten wie die von Braden, wenn er wütend war. »Ich bin deine beste Freundin, und du erzählst mir nicht, dass du zu einer Therapeutin gehst. Weiß Braden Bescheid?«
»Ja«, erwiderte ich wie ein mürrischer Teenager.
»Wenigstens etwas.« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Du musst dich mit dem Verlust deiner Familie auseinandersetzen, Joss. Ich denke, wenn du das tust, jagt dir alles andere nicht mehr solche Angst ein. Und du wirst erkennen,
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