Dublin Street - Gefaehrliche Sehnsucht
sie sich Sorgen um mich gemacht. Sich gefragt, ob es mir nicht besser gehen würde, wenn ich langsam anfange, mich meiner Vergangenheit zu stellen.«
Dr. Pritchard bedachte mich mit einem traurigen Lächeln. »Ellie hat Sie in einem einzigen Gespräch dazu gebracht, das zu tun, wozu ich Sie schon fast sechs Monate lang bewegen will?«
»Ich glaube, dazu müssten Sie erst eine wirklich niederschmetternde Diagnose erhalten und dann großen Mut beweisen, denn dann würde ich mir wie der größte Feigling der Welt vorkommen.«
»Das muss ich in mein Repertoire aufnehmen.«
Ich lachte, ein Lachen, das in angespanntem Schweigen endete. »Ich habe Angst«, bekannte ich schließlich. »Ich habe die Sachen meiner Familie einlagern lassen. Ich werde ihre Gräber besuchen und mir vielleicht endlich etwas für den ganzen Kram überlegen.«
»Sie haben mir nie erzählt, dass Sie die ganzen Sachen aufgehoben haben.«
»Ja. Eingelagert und so getan, als existierten sie nicht.«
»Das ist wirklich ein guter Schritt in die richtige Richtung, Joss.«
»Hoffentlich.«
Jetzt runzelte sie die Stirn. »Braden hat jemanden kennengelernt?«
Ich ignorierte den Schmerz. »So, wie ich es wollte.«
»Joss, ich weiß, dass Sie sich das eingeredet haben, aber es kann trotzdem nicht leicht sein, ihn so schnell mit einer anderen zu sehen. Vor allem, nachdem er Sie nicht in Ruhe gelassen und versprochen hat, nicht aufzugeben.«
»Das beweist nur, dass ich recht hatte. Er liebt mich nicht.«
»Und er trifft sich ganz eindeutig mit dieser neuen Frau? Es handelt sich nicht um ein Missverständnis?«
»Ellie zufolge nicht.«
»Dann könnte eine Reise nach Virginia genau das sein, was Sie jetzt brauchen.«
»Oh, es ist nicht einfach nur eine Reise.« Ich schüttelte den Kopf. »Na ja, es ist eine und auch wieder nicht. Ich denke daran, wieder dorthin zurückzuziehen, sowie ich sicher bin, dass Ellie wieder gesund wird. Ich werde mir dort eine Wohnung kaufen und dann nach Edinburgh zurückkommen, um meine Angelegenheiten zu regeln.«
Dr. Pritchard schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht. Ich dachte, Edinburgh wäre Ihre Heimat? Und Ellie Ihre Familie?«
»Ellie ist meine Familie. Das wird sie immer sein.« Ich lächelte bekümmert. »Ich kann es nicht ertragen, ihn mit einer anderen zu sehen«, gestand ich dann. »Er hat mich zermürbt. Sie, Ellie und er, alle haben mich zermürbt. Glauben Sie, ich weiß nicht, dass es irrational ist, ihn wegzustoßen?« Unwillkürlich hob ich die Stimme. »Ich weiß, dass es irrational ist. Aber ich konnte nichts dagegen tun – es war, als wäre jemand anderes in mich geschlüpft und würde ihn forttreiben, weil ich solche Angst hatte, ihn zu verlieren.«
»Joss.« Die Stimme der guten Frau Doktor klang sanft und beruhigend. »Irrational ja, aber verständlich. Sie haben als junges Mädchen einen schmerzlichen Verlust erlitten. Braden weiß genau, warum Sie sich so verhalten haben. Deswegen hat er auch nicht aufgegeben.«
»Er hat beim Anblick des ersten Paars langer Beine aufgegeben, das ihm über den Weg gelaufen ist.«
»Ist das wirklich der Grund, warum Sie fortgehen wollen?«
»Ich weiß, ich höre mich an wie eine Verrückte. Erst beharre ich darauf, mich von ihm zu trennen, und sowie ich herausfinde, dass er eine andere hat, flippe ich aus. Tatsache ist, dass sich nichts geändert hat. Nur dass ich jetzt nicht mehr mit ihm zusammen sein will, weil er mich ganz klar nicht so liebt wie ich ihn. Bei ihm war es immer nur der Reiz der Jagd.«
»Nun, um mir darüber eine Meinung bilden zu können, müsste ich mit Braden selbst sprechen, aber ich glaube, vor allem Sie sollten mit ihm reden. Sie müssen ihm das alles sagen, ehe Sie nach Virginia gehen, sonst werden Sie sich immer mit unbeantworteten Fragen herumquälen, Joss. Wissen Sie, was schlimmer ist, als ein Risiko einzugehen und zu verlieren?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Reue, Joss. Reue kann einen Menschen zerstören.«
Wir begleiteten Ellie geschlossen ins Krankenhaus, sogar Hannah und Dec schlossen sich an. Als die Schwestern kamen, um sie in den Operationssaal hinunterzubringen, sprachen wir ihr alle abwechselnd Mut zu. Zuletzt gab Adam ihr einen langen Kuss, der auch das unromantischste Herz hätte schmelzen lassen. Es war bedauerlich, dass es erst einer größeren Katastrophe wie einer Hirnoperation bedurft hatte, damit er über seinen Schatten sprang, aber so spielte das Leben manchmal. Einige von uns brauchten einen kräftigen
Weitere Kostenlose Bücher