Dublin Street - Gefaehrliche Sehnsucht
etwa betrogen?
»Er hat mir einen Antrag gemacht.«
Eine Weile herrschte Schweigen, während ich zu begreifen versuchte, was sie sagte. »Okay. Er hat dich gebeten, ihn zu heiraten, und daraufhin hast du mit ihm Schluss gemacht.«
»Natürlich.«
Was hatte ich da nicht mitbekommen? »Das verstehe ich nicht.«
Rhian knurrte. Tatsächlich, sie knurrte. »Wie kannst gerade du das nicht verstehen, Joss? Deswegen rufe ich dich doch an! Du solltest das von allen Leuten am besten verstehen.«
»Das tue ich aber nicht, also hör auf, mich anzuschnauzen«, fauchte ich. Mitleid mit James keimte in mir auf. Er vergötterte Rhian. Sie war seine ganze Welt.
»Ich kann ihn nicht heiraten, Joss. Ich kann überhaupt niemanden heiraten. Die Ehe macht alles kaputt.«
Und plötzlich ging mir auf, dass wir unser Tabuthema angeschnitten hatten. Hier ging es um Rhians Eltern. Ich wusste, dass sie geschieden waren, mehr aber nicht. Da musste eine wirklich üble Geschichte dahinterstecken, wenn Rhian deswegen mit James brach. »Er ist nicht dein Dad. Ihr seid nicht deine Eltern. James liebt dich.«
»Was soll das? Wer zum Teufel spricht da, und was hat sie mit meiner Freundin gemacht?«
Ich zögerte. Vielleicht verbrachte ich wirklich zu viel Zeit mit Ellie. Sie färbte auf mich ab. »Ja, du hast ja recht«, murmelte ich.
Rhian seufzte erleichtert. »Also glaubst du, dass ich das Richtige getan habe?«
»Nein«, versetzte ich aufrichtig. »Ich glaube, dass du eine Scheißangst hast. Aber von einer scheißverängstigten Frau zur anderen – ich weiß, dass dich niemand dazu bringt, deine Meinung zu ändern.«
Wir schwiegen einen Moment lang, lauschten gegenseitig unseren Atemzügen und spürten die Verbindung zwischen uns; die Erleichterung darüber, dass es da draußen jemanden gab, der genauso verkorkst war.
»Hast du einmal über die Folgen deiner Entscheidung nachgedacht, Rhian?«, flüsterte ich endlich. »James mit einer anderen Frau, meine ich.«
Ein erstickter Laut kam durch die Leitung.
Er brach mir das Herz. »Rhian?«
»Ich muss Schluss machen.« Sie legte auf. Und irgendwie wusste ich, dass sie das tat, um in Ruhe zu weinen. Wir weinten nie.
Eine tiefe Melancholie ergriff von mir Besitz. Ich schrieb ihr, sie solle gründlich über alles nachdenken, bevor sie etwas tat, das sie später bereuen würde. Und ich wünschte, ich wäre nicht so innerlich zerbrochen, weil Rhian dann eine starke beste Freundin hätte, die sich nicht fürchtete, jemanden zu lieben, und als Beispiel dafür dienen könnte, was alles möglich war. Stattdessen war ich ihre Entschuldigung dafür, dass sie irrational handelte. Ich war ihre lebende Rechtfertigung.
»Joss?«
Ich sah zu Craig hinüber. »Ja?«
»Ein bisschen Hilfe, bitte.«
»Oh. Klar.«
»Lust auf eine kleine Nummer nach der Arbeit?«
»Nein, Craig.« Ich schüttelte den Kopf und folgte ihm nach draußen, zu deprimiert, um mich auf unser übliches Wortgefecht einzulassen.
*
Der Sonntag nahte heran, bevor ich mir dessen bewusst wurde, und da ich so mit meinem Buch und Rhian beschäftigt war – die meine Anrufe nicht entgegennahm – und zu viel Angst davor hatte, mit James zu sprechen, weil sein Kummer mir das Herz noch schwerer machen würde, kam ich nicht dazu, mir eine Ausrede auszudenken, um nicht an dem Dinner mit Ellies Familie teilnehmen zu müssen.
Stattdessen saß ich, zur Feier des heißen Tages in meine Topshop -Shorts und ein olivgrünes Seidenshirt gekleidet, mit Ellie im Taxi. Wir gaben Stockbridge als Fahrtziel an und hielten fünf Minuten später vor einem Apartment, das unserem sehr ähnlich sah.
Es überraschte mich nicht, dass das Heim der Nichols auch von innen unserem sehr glich: große Räume, hohe Decken und eine anheimelnde Sammlung von Krimskrams, die mich an Ellie erinnerte. Jetzt wusste ich, woher sie das hatte.
Elodie Nichols begrüßte mich mit französischen Küsschen auf beide Wangen. Wie Ellie war sie hochgewachsen und auf eine zarte Weise hübsch. Aus irgendeinem Grund hatte ich einen französischen Akzent erwartet, obwohl Ellie mir erzählt hatte, ihre Mum wäre nach Schottland gezogen, als sie fünf Jahre alt war.
»Ellie hat mir schon so viel von Ihnen erzählt. Sie sagt, Sie beide hätten sich schnell angefreundet, und darüber bin ich sehr froh. Als sie mir sagte, sie würde sich eine Mitbewohnerin suchen, habe ich mir ein bisschen Sorgen um sie gemacht, aber wie es aussieht, hat sich ja alles gut angelassen.«
Ich kam mir vor,
Weitere Kostenlose Bücher