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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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Whisky sagt.
    Little Chandler bestellte die Getränke. Die Röte, die ihm wenige Augenblicke zuvor ins Gesicht gestiegen war, begann sich festzusetzen. Eine Kleinigkeit ließ ihn jederzeit erröten: Und jetzt fühlte er sich warm und angeregt. Die drei kleinen Whiskys waren ihm zu Kopf gestiegen, und Gallahers starke Zigarre verwirrte seine Sinne, denn er war eine schmächtige und enthaltsame Person. Das Abenteuer, Gallaher nach acht Jahren wiederzutreffen, sich mit Gallaher bei Corless inmitten von Lichtern und Lärm zu befinden, Gallahers Geschichten zu lauschen und für kurze Zeit Gallahers rastloses und siegreiches Leben zu teilen, brachte seine empfindsame Natur aus dem Gleichgewicht. Er fühlte schmerzlich den Gegensatz zwischen seinem eigenen Leben und dem des Freundes, und ihm kam das ungerecht vor. Gallaher war ihm durch Herkunft und Bildung unterlegen. Er war sich sicher, dass er mehr erreichen könnte, als sein Freund je erreicht hatte oder je erreichen würde, etwas Höheres als nur billigen Journalismus, wenn er nur die Gelegenheit dazu bekäme. Was war es, was ihm im Weg stand? Seine unselige Ängstlichkeit! Er wünschte, sich auf irgendeine Weise zu verteidigen, seiner Mannhaftigkeit Geltung zu verschaffen. Er durchschaute Gallahers Ablehnung seiner Einladung. Gallaher behandelte ihn durch seine Freundlichkeit herablassend, so wie er auch Irland mit seinem Besuch herablassend behandelte.
    Der Barmann brachte ihre Getränke. Little Chandler schob seinem Freund eines der Gläser hinüber und ergriff beherzt das andere.
    – Wer weiß?, sagte er, als sie die Gläser erhoben. Wenn du im nächsten Jahr kommst, habe ich vielleicht das Vergnügen,Mr und Mrs Ignatius Gallaher ein langes Leben und viel Glück zu wünschen.
    Gallaher zwinkerte, während er trank, vielsagend über den Rand seines Glases hinweg. Als er ausgetrunken hatte, schmatzte er nachdrücklich mit den Lippen, stellte sein Glas ab und sagte:
    – Lass dir deswegen keine grauen Haare wachsen, mein Junge. Erst will ich mal die Puppen tanzen lassen und ein bisschen was vom Leben und von der Welt sehen, bevor ich mich einsacken lasse – wenn überhaupt!
    – Eines Tages wirst du das, sagte Little Chandler ruhig.
    Ignatius Gallaher richtete seine orangefarbene Krawatte und seine schiefergrauen Augen ganz auf seinen Freund.
    – Glaubst du?, fragte er.
    – Du wirst dich einsacken lassen, wiederholte Little Chandler beharrlich, wie alle anderen, wenn du das richtige Mädchen findest.
    Er hatte seinen Worten ein bisschen Nachdruck verliehen und ihm war bewusst, dass er sich verraten hatte; aber obwohl die Röte auf seinen Wangen noch tiefer geworden war, wich er dem Blick des Freundes nicht aus. Ignatius Gallaher beobachtete ihn einige Augenblicke und sagte dann:
    – Falls es jemals so weit kommt, kannst du deinen letzten Heller darauf verwetten, dass kein romantisches Getue im Spiel sein wird. Ich habe vor, Geld zu heiraten. Sie hat entweder ein schönes dickes Bankkonto, oder sie ist nichts für mich.
    Little Chandler schüttelte den Kopf.
    – Mein lieber Mann, sagte Ignatius Gallaher heftig, du hast ja keine Ahnung! Ich brauche nur ein Wort zu sagen, und morgen kann ich die Frau und die Barschaft kassieren. Du glaubst es nicht? Gut, aber ich weiß es. Es gibt Hunderte – was sag ich – Tausende von reichen Deutschen undJüdinnen, die Geld wie Heu haben, die nur zu gerne ... Wart’s ab, mein Junge. Du wirst sehen, ob ich nicht meine Karten richtig ausspiele. Wenn ich etwas anpacke, dann muss was dabei herausspringen, das sag ich dir. Wart’s ab.
    Er hob sein Glas energisch an die Lippen, trank aus und lachte schallend. Dann blickte er nachdenklich vor sich hin und sagte in ruhigerem Ton:
    – Ich hab’s nicht eilig. Die können warten. Ich hab keine Lust, mich an eine einzige Frau zu binden, weißt du.
    Er bewegte den Mund, als wolle er etwas abschmecken, und verzog spöttisch das Gesicht.
    – Wird auf die Dauer fad, denk ich mir, sagte er.
    *
    Little Chandler saß im Zimmer neben der Diele und hielt ein Kind in seinen Armen. Um Geld zu sparen, hielten sie sich kein Dienstmädchen, aber Annies jüngere Schwester Monica kam eine Stunde oder so morgens und eine Stunde oder so abends, um auszuhelfen. Aber Monica war schon längst nach Hause gegangen. Es war Viertel vor neun. Little Chandler war zu spät zum Abendessen gekommen und hatte überdies vergessen, Annie das Päckchen Kaffee von Bewley’s mit heimzubringen. Nun hatte sie natürlich

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