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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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Wutanfall im Hals und hinterließ, als es vorbei war, ein heftiges Durstgefühl. Der Mann kannte dieses Gefühl und spürte die Notwendigkeit, an diesem Abend ausgiebig zu zechen. Die Monatsmitte war schon vorbei, und wenn er die Kopie rechtzeitig fertig bekam, würde Mr Alleyne ihm vielleicht einen Vorschuss auszahlen lassen. Er stand da und starrte den Schädel auf dem Papierstapel an. Plötzlich wühlte Mr Alleyne in den Papieren herum, um etwas zu suchen. Dann hob er, als habeer die Anwesenheit des Mannes bis dahin nicht bemerkt, wieder ruckartig den Kopf und sagte:
    – Nanu? Wollen Sie den ganzen Tag da herumstehen? Also wirklich, Farrington, Sie haben die Ruhe weg!
    – Ich habe nur gewartet für den Fall ...
    – Schön, aber Sie brauchen nicht zu warten. Gehen Sie wieder nach unten und tun Sie Ihre Arbeit.
    Der Mann ging schwerfällig zur Tür, und als er das Büro verließ, hörte er, wie Mr Alleyne ihm nachrief, wenn der Vertrag nicht bis zum Abend kopiert sei, werde Mr Crosbie davon erfahren.
    Er kehrte an seinen Arbeitsplatz im unteren Kontor zurück und zählte die Bogen, die noch zu kopieren waren. Er nahm seinen Federhalter und tauchte ihn in die Tinte, starrte dann aber nur stumpf auf die Worte, die er zuletzt geschrieben hatte: Unter keinen Umständen soll besagter Bernard Bodley ... Es wurde schon dämmrig, und in wenigen Minuten würden sie die Gasbeleuchtung anzünden: Dann konnte er schreiben. Er spürte, dass er den Durst in seiner Kehle löschen musste. Er erhob sich von seinem Pult, klappte wie zuvor den Tresen hoch und verließ das Kontor. Beim Hinausgehen sah ihn der Bürovorsteher fragend an.
    – Schon gut, Mr Shelley, sagte der Mann und deutete mit einer Handbewegung den Zweck seines Gangs an.
    Der Bürovorsteher warf einen Blick auf die Reihe der Hüte am Ständer, aber da keiner fehlte, sagte er nichts. Kaum war er im Treppenhaus, zog der Mann eine schwarz-weiß-karierte Mütze aus der Tasche, setzte sie auf und lief schnell die wacklige Treppe nach unten. Von der Eingangstür ging er verstohlen dicht an den Häusern entlang bis zur Straßenecke und verschwand dann blitzschnell in einem Hauseingang. Nun war er in Sicherheit, im schummrigen Hinterzimmer * von O’Neills Bierstube. Er steckte sein rot entzündetes Gesicht, das die Farbe von dunklem Weinoder einem Stück dunklem Fleisch hatte, in das Fensterchen zum Schankraum und rief:
    – He, Pat, sei so nett und gieß mir ein Dunkles ein.
    Der Kellner am Ausschank brachte ihm ein Glas leichtes Porter. Der Mann leerte es in einem Zug und ließ sich ein paar Kümmelkörner * geben. Er legte seinen Penny auf den Tresen und überließ es dem Kellner, im Halbdunkel danach zu suchen, dann verließ er das Hinterzimmer so heimlich, wie er es betreten hatte.
    Dunkelheit, begleitet von dichtem Nebel, holte jetzt die Februardämmerung ein, und die Laternen in der Eustace Street waren schon angezündet worden. Der Mann ging an den Häusern entlang, bis er die Tür zum Kontor erreichte, und überlegte dabei, ob er mit seiner Kopie noch rechtzeitig fertig würde. Auf der Treppe stieg ihm zur Begrüßung ein durchdringender dumpfer Parfümgeruch entgegen: Offenkundig war Miss Delacour hereingekommen, während er bei O’Neill’s war. Er stopfte seine Mütze zurück in die Tasche und betrat wieder das Kontor, wobei er so tat, als sei er in Gedanken woanders.
    – Mr Alleyne hat nach Ihnen verlangt, sagte der Bürovorsteher streng. Wo waren Sie denn?
    Der Mann sah zu zwei Klienten hinüber, die am Tresen standen, so als wollte er sagen, dass ihre Anwesenheit ihn daran hinderte zu antworten. Da beide Klienten Männer waren, gestattete sich der Bürovorsteher ein Lachen.
    – Ich kenne dieses Spielchen, sagte er. Fünfmal am Tag ist aber ein bisschen ... Na, jetzt halten Sie sich ran und bringen Sie Mr Alleyne eine Kopie unserer Korrespondenz in der Sache Delacour.
    Diese Worte im Beisein Fremder, die Eile, mit der er die Treppe hinaufgestiegen war, und das hastig geleerte Glas Porter hatten den Mann benommen gemacht, und als er sich an sein Pult setzte, um das Verlangte hervorzuholen,kam ihm zu Bewusstsein, wie aussichtlos es war, seine Kopie des Vertrages bis halb sechs fertigzustellen. Der dunkle, nasskalte Abend brach herein, und er sehnte sich danach, ihn mit Freunden in Kneipen zu verbringen, umgeben von Gaslicht und klirrenden Gläsern. Er holte die Delacour-Korrespondenz hervor und verließ das Kontor. Er hoffte, Mr Alleyne würde nicht

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