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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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dann hörte man das Klavier.
    Der erste Teil des Konzerts war ein großer Erfolg, abgesehen von Miss Glynns Beitrag. Die Ärmste sang Killarney * mit einer körperlosen, keuchenden Stimme und all den altmodischen Manierismen von Tongebung und Aussprache, von denen sie glaubte, dass sie ihrem Gesang Eleganz verliehen. Sie sah aus, als hätte man sie aus den alten Kostümbeständen eines Theaters hervorgekramt, und auf den billigen Plätzen machte man sich über ihre wimmernden hohen Töne lustig. Der erste Tenor und die Altistin hingegen ernteten stürmischen Beifall. Kathleen spielte eine Auswahl irischer Weisen und wurde heftig beklatscht. Der erste Teil endete mit der zu Herzen gehenden Deklamationeines patriotischen Gedichts, vorgetragen von einer jungen Dame, die Laienspielgruppen leitete. Der Applaus dafür war wohlverdient; und als sie geendet hatte, gingen die Männer zufrieden hinaus in die Pause.
    In der Garderobe herrschte die ganze Zeit über helle Aufregung. In einer Ecke standen Mr Holohan, Mr Fitzpatrick, Miss Beirne, zwei Platzanweiser, der Bariton, der Bass und Mr O’Madden Burke beisammen. Mr O’Madden Burke sagte, ein dermaßen skandalöses Gebaren habe er noch nie erlebt. Damit sei Miss Kathleen Kearneys musikalische Laufbahn in Dublin zu Ende, sagte er. Der Bariton wurde gefragt, wie er über Mrs Kearneys Verhalten denke. Er wollte sich dazu nicht äußern. Er hatte sein Geld bekommen und wünschte mit seinen Mitmenschen in Frieden zu leben. Mrs Kearney hätte aber, sagte er, mehr Rücksicht auf die Künstler nehmen sollen. Die Platzanweiser und die Vorsitzenden erörterten erregt, was zu tun sei, wenn die Pause kam.
    – Ich stimme Miss Beirne zu, sagte Mr O’Madden Burke. Zahlt ihr nichts.
    In einer anderen Ecke des Raums befanden sich Mrs Kearney und ihr Mann, Mr Bell, Miss Healy und die junge Dame, die das patriotische Gedicht rezitiert hatte. Mrs Kearney sagte, es sei skandalös, wie das Komitee mit ihr umgegangen sei. Sie habe weder Kosten noch Mühe gescheut, und so werde ihr das jetzt vergolten.
    Sie glaubten, sie hätten es nur mit einem jungen Mädchen zu tun, mit dem sie so rücksichtslos umspringen könnten. Aber sie würde ihnen zeigen, dass sie sich geirrt hatten. Sie hätten es nie gewagt, so mit ihr umzuspringen, wenn sie ein Mann wäre. Aber sie werde dafür sorgen, dass ihre Tochter zu ihrem Recht komme: Sie lasse sich doch nicht zum Narren halten. Wenn sie nicht auf Heller und Pfennig mit ihr abrechneten, werde sie das in ganz Dublin an diegroße Glocke hängen. Natürlich täten ihr die Sänger leid, aber was könne sie denn anderes tun? Sie wandte sich Hilfe suchend an den zweiten Tenor, der gesagt hatte, man habe sie seiner Meinung nach schlecht behandelt. Dann wandte sie sich auch an Miss Healy. Miss Healy hätte sich gerne zu der anderen Gruppe gesellt, mochte das aber nicht tun, da sie eng mit Kathleen befreundet war und die Kearneys sie oft zu sich nach Hause einluden.
    Sobald der erste Teil beendet war, gingen Mr Fitzpatrick und Mr Holohan hinüber zu Mrs Kearney und sagten ihr, die restlichen vier Guineen würden ihr nach der Sitzung des Komitees am kommenden Dienstag ausbezahlt, und falls ihre Tochter im zweiten Teil nicht spiele, werde das Komitee dies als Vertragsbruch betrachten und gar nichts zahlen.
    – Ich habe nichts von einem Komitee gesehen, sagte Mrs Kearney zornig. Meine Tochter hat ihren Vertrag. Entweder bekommt sie vier Pfund acht Shilling auf die Hand, oder sie wird keinen Fuß mehr auf die Bühne setzen.
    – Ich muss mich über Sie wundern, Mrs Kearney, sagte Mr Holohan. Ich hätte nie gedacht, dass Sie uns so behandeln würden.
    – Und wie haben Sie mich behandelt?, fragte Mrs Kearney.
    Zornesröte hatte ihr Gesicht überflutet, und sie sah aus, als wollte sie gleich jemanden mit bloßen Händen attackieren.
    – Ich verlange mein Recht, sagte sie.
    – Sie sollten den Anstand wahren, sagte Mr Holohan.
    – So, meinen Sie? ... Und wenn ich wissen will, wann meine Tochter ihr Geld bekommt, gibt mir niemand eine anständige Antwort.
    Sie warf den Kopf zurück und sagte in gespielt hochnäsigem Ton:
    – Sie müssen sich an den Vorsitzenden wenden. Ich habe damit nichts zu tun. Ich bin ein Prachtkerl, la-di-da-di-dah!
    – Und ich habe Sie immer für eine Dame gehalten, sagte Mr Holohan und wandte sich abrupt zum Gehen.
    Von da an wurde Mrs Kearneys Verhalten von allen Seiten verurteilt, und jeder billigte die Handlungsweise des Komitees. Sie stand

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