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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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fand Konzerte und Künstler ziemlich langweilig, aber er blieb am Kaminsims lehnen. Miss Healy stand vor ihm, redete und lachte. Er war alt genug, um den Grund dafür zu erraten, warum sie so nett zu ihm war, aber jung genug im Herzen, um den Augenblick zu nutzen. Die Wärme ihres Körpers, ihr Duft und ihr Teint regten seine Sinne an. Es war ihm aufs Angenehmste bewusst, dass der Busen, der sich in diesem Moment unter seinen Blicken langsam hob und senkte, dies seinetwegen tat, und dass das Lachen, das Parfüm und die kecken Blicke ihm galten. Als er nicht länger verweilen konnte, verabschiedete er sich von ihr mit Bedauern.
    – O’Madden Burke wird den Bericht schreiben, erklärte er Mr Holohan, und ich sorge dafür, dass er gedruckt wird.
    – Vielen Dank, Mr Hendrick, sagte Mr Holohan. Ich weiß, dass Sie dafür sorgen werden. Aber wollen Sie nicht noch ein Gläschen trinken, bevor Sie gehen?
    – Ich hätte nichts dagegen, sagte Mr Hendrick.
    Die beiden Männer gingen durch einige gewundene Gänge und dann eine dunkle Treppe hinauf und erreichten einen abgelegenen Raum, in dem einer der Platzanweiser dabei war, für einige Herren Flaschen zu öffnen. Einer dieser Herren war Mr O’Madden Burke, den sein Instinkt zu diesem Raum geführt hatte. Er war ein älterer Mann von weltmännischem Auftreten, der seinen imposanten Körper, wenn er still stand, mithilfe eines großen seidenen Schirmes im Gleichgewicht hielt. Sein hochtrabender westirischer Name war der moralische Schirm, mit dem er das delikate Problem seiner Finanzen im Gleichgewicht hielt. Er wurde allgemein geachtet.
    Während Mr Holohan den Reporter vom Freeman bewirtete, unterhielt sich Mrs Kearney so angeregt mit ihrem Mann, dass er sie bitten musste, leiser zu sprechen. Die Unterhaltung der anderen in der Garderobe war jetzt etwas gezwungen. Mr Bell, der Erste auf dem Programm, stand mit seinen Notenblättern bereit, aber seine Begleiterin am Klavier gab ihm kein Zeichen. Offenbar stimmte etwas nicht. Mr Kearney sah starr geradeaus und strich sich seinen Bart, während Mrs Kearney ihrer Tochter eindringlich ins Ohr flüsterte. Aus dem Saal waren Geräusche des Ansporns zu hören, Händeklatschen und Trampeln. Der erste Tenor und der Bariton und Miss Healy standen beisammen und warteten in Ruhe ab, aber Mr Bell war äußerst aufgeregt, weil er befürchtete, das Publikum könne glauben, er habe sich verspätet.
    Mr Holohan und Mr O’Madden Burke betraten den Raum. Augenblicklich bemerkte Mr Holohan die Stille. Er ging hinüber zu Mrs Kearney und sprach eindringlich mit ihr. Während dieses Gesprächs nahm der Lärm im Saal zu. Mr Holohan lief tiefrot an und wurde immer erregter. Er redete wortreich auf sie ein, aber Mrs Kearney sagte nur immer wieder knapp:
    – Sie wird nicht weiterspielen. Sie muss ihre acht Guineen bekommen.
    Mr Holohan deutete verzweifelt in Richtung des Saals, wo das Publikum klatschte und trampelte. Er beschwor Mr Kearney und Kathleen. Aber Mr Kearney fuhr fort, seinen Bart zu streichen, und Kathleen blickte nach unten und bewegte die Spitze ihres neuen Schuhs: Ihre Schuld war es nicht. Mrs Kearney wiederholte:
    – Ohne ihr Geld spielt sie nicht weiter.
    Nach einem kurzen Wortgefecht humpelte Mr Holohan hastig hinaus. Im Raum herrschte Schweigen. Als die Stille qualvoll zu werden begann, fragte Miss Healy den Bariton:
    – Haben Sie in dieser Woche schon Mrs Pat Campbell * gesehen?
    Der Bariton hatte sie nicht gesehen, hatte aber gehört, sie solle sehr gut sein. Weiter ging die Unterhaltung nicht. Der erste Tenor senkte den Kopf und zählte die Glieder der Goldkette, die sich über seinen Bauch spannte, und er lächelte dabei und summte verschiedene Noten, um zu prüfen, wie sie sich auf die Stirnhöhlen auswirkten. Von Zeit zu Zeit warfen alle Mrs Kearney einen Blick zu.
    Der Lärm im Publikum hatte sich zu einem Tumult gesteigert, als Mr Fitzpatrick in den Raum gestürzt kam, gefolgt von Mr Holohan, der keuchte. In das Klatschen und Trampeln im Saal mischten sich Pfiffe. Mr Fitzpatrick hielt einige Geldscheine in der Hand. Er blätterte Mrs Kearney vier davon hin und sagte, die andere Hälfte werde er in der Pause besorgen. Mrs Kearney sagte:
    – Da fehlen noch vier Shilling.
    Aber Kathleen raffte ihren Rock und sagte: Jetzt, Mr Bell zur Nummer eins auf dem Programm, die wie Espenlaub zitterte. Der Sänger und seine Begleitung gingen gemeinsam hinaus. Der Lärm im Saal verebbte. Einen Augenblick lang herrschte Stille,

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