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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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krank«, sagt David Defuniak geflissentlich. »Ich glaube, ich hatte Grippe.«
    »Dann sollte ich Ihnen wohl eine Hausarbeit aufgeben, statt des Multiple-Choice-Tests, an dem Ihre Kommilitonen teilnehmen mussten. Wenn Sie möchten. Statt der Prüfung, die Sie verpasst haben. Wäre Ihnen das recht?«
    »Ja«, sagt der Junge und wischt sich gleich mit mehreren Taschentüchern die Augen trocken. Zumindest hat er ihm nicht diesen ganzen kleinlichen Quatsch aufgetischt, dass Jonesy ihm nichts beweisen könne, überhaupt nichts, dass er die Sache vor die Studentenvertretung bringen werde, dass er zu einem Protest aufrufen werde und bla-bla-bla-di-bla. Nein, vielmehr weint er, und das ist nicht schön anzusehen, wahrscheinlich aber ein gutes Zeichen – mit neunzehn ist man noch jung, aber zu viele von ihnen haben in dem Alter schon keinerlei Gewissen mehr. Defuniak hat es ohne große Umschweife zugegeben, was darauf hindeuten mag, dass in ihm doch noch ein richtiger Mann schlummert. »Ja, das wäre toll.«
    »Und Ihnen ist bewusst, wenn so etwas noch einmal vorkommt …«
    »Das wird es nicht«, sagt der Junge inbrünstig. »Das wird es nicht, Professor Jones.«
    Jonesy ist zwar lediglich außerordentlicher Professor, macht sich aber nicht die Mühe, ihn zu berichtigen. Eines Tages wird er ja schließlich Professor Jones sein. Es wäre ihm wenigstens zu raten; er und seine Frau haben ein Haus voller Kinder, und ohne ein paar künftige Gehaltssprünge stünden ihnen harte Zeiten bevor. Und harte Zeiten haben sie schon hinter sich.
    »Das will ich hoffen«, sagt er. »Schreiben Sie mir dreitausend Wörter über die kurzfristigen Folgen des normannischen Eroberungszugs, David, ja? Zitieren Sie aus den Quellen, aber schenken Sie sich die Fußnoten. Es soll informell sein, aber argumentieren Sie stichhaltig. Das will ich bis nächsten Montag haben. Verstanden?«
    »Ja. Ja, Sir.«
    »Wieso gehen Sie dann nicht los und fangen damit an?« Er zeigt auf Defuniaks schäbiges Schuhwerk. »Und wenn Sie das nächste Mal Bier kaufen wollen, kaufen Sie sich lieber neue Turnschuhe. Ich möchte nicht, dass Sie sich wieder eine Grippe holen.«
    Defuniak geht zur Tür und dreht sich dann noch einmal um. Einerseits will er fort sein, ehe Mr. Jones es sich eventuell anders überlegt, aber andererseits ist er neunzehn Jahre alt. Und neugierig. »Woher wussten Sie das? Sie waren an diesem Tag gar nicht da. Irgendein Student hatte Aufsicht bei dem Test.«
    »Ich weiß es, und das reicht«, sagt Jonesy nicht ohne Schärfe. »Gehen Sie jetzt, mein Junge, und schreiben Sie einen guten Aufsatz. Werfen Sie Ihr Stipendium nicht weg. Ich bin auch aus Maine – aus Derry –, und ich kenne Pittsfield. Und da kommt man lieber her, als dass man dahin zurückgeht.«
    »Da haben Sie recht«, sagt Defuniak mit einem Stoßseufzer. »Danke. Danke, dass Sie mir noch eine Chance geben.«
    »Machen Sie die Tür hinter sich zu.«
    Defuniak – der sein Schuhgeld nicht für Bier, sondern für einen Blumenstrauß mit den besten Genesungswünschen für Jonesy ausgeben wird – geht hinaus und schließt gehorsam die Tür hinter sich. Jonesy dreht sich auf seinem Stuhl um und schaut wieder aus dem Fenster. Der Sonnenschein ist tückisch, aber verlockend. Und da die Sache mit Defuniak besser als erwartet verlaufen ist, möchte er jetzt hinaus in den Sonnenschein, ehe weitere Wolken aufziehen oder es gar schneit. Er hatte eigentlich vorgehabt, im Büro zu essen, aber jetzt fasst er einen neuen Plan. Es ist der verheerendste Plan seines Lebens, aber das weiß Jonesy natürlich nicht. Der Plan besteht darin, seine Aktentasche zu nehmen, sich eine Boston Phoenix zu kaufen und über die Brücke nach Cambridge zu gehen. Dort will er sich auf eine Bank setzen und im Sonnenschein sein Eiersalatsandwich essen.
    Er steht auf und verstaut Defuniaks Akte in dem mit D-F beschrifteten Aktenschrank. Woher wussten Sie das?, hat der Junge gefragt, und Jonesy gesteht sich ein, dass das eine gute Frage war. Eine ausgezeichnete Frage. Und die Antwort lautet: Er wusste es, weil … er so was manchmal eben einfach weiß. Das ist die Wahrheit, und mehr ist da nicht dran. Hielte man ihm eine Pistole an den Kopf, so würde er sagen, dass er es in der ersten Stunde nach der Prüfung herausgefunden habe, dass es dort direkt auf David Defuniaks Stirn geschrieben stand, groß und hell, in schuldbewusstem, rotem Neon leuchtend: SCHUMMLER SCHUMMLER SCHUMMLER.
    Aber, Mann, das ist doch Quatsch: Er kann

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