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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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worden, als er in Cambridge über die Straße ging, ganz in der Nähe des Emerson College, wo er unterrichtete. Er hatte sich einen Schädelbruch zugezogen, sich zwei Rippen gebrochen und die Hüfte zertrümmert, die mit einer exotischen Mischung aus Teflon und Metall ersetzt worden war. Der Mann, der ihn angefahren hatte, ein emeritierter Geschichtsprofessor der Boston University, litt – zumindest laut seines Anwalts – an einer Frühform von Alzheimer und verdiente eher Mitleid als Strafe. Allzu oft, dachte Jonesy, hatte niemand Schuld, wenn sich der Staub einmal gelegt hatte. Und selbst wenn, was nützte es? Man musste trotzdem mit dem leben, was übrig blieb, und sich damit trösten, dass es, wie ihm die Leute tagein, tagaus sagten (bis sie die ganze Sache vergaßen), viel schlimmer hätte kommen können.
    Und das hätte es tatsächlich. Er hatte einen sprichwörtlichen Dickschädel, und der Bruch heilte. Er konnte sich zwar an die Stunde vor dem Unfall in der Nähe des Harvard Square überhaupt nicht erinnern, aber sonst war seinem Hirnkasten nichts passiert. Seine Rippen heilten binnen eines Monats. Am schlimmsten war es mit der Hüfte, aber im Oktober brauchte er schon keine Krücken mehr, und nennenswert humpelte er meist erst gegen Abend.
    Pete, Henry und der Biber dachten, er würde wegen seiner Hüfte und nur seiner Hüfte wegen den Hochsitz im Baum dem feuchten, kalten Waldboden vorziehen, und sicherlich spielte seine Hüfte dabei auch eine Rolle, bloß eben nicht die einzige. Er hatte ihnen verschwiegen, dass er kaum noch Lust hatte, einen Hirsch zu schießen. Sie hätten es nicht fassen können. Ja, es bestürzte Jonesy auch selbst. Aber da war etwas Neues in sein Leben getreten, womit er nie gerechnet hatte, bis sie am elften November hier heraufgekommen waren und er sein Gewehr ausgepackt hatte. Er fand den Gedanken zu jagen nicht abstoßend, nein, ganz und gar nicht; er verspürte bloß überhaupt kein Bedürfnis danach. Der Tod hatte ihn an einem sonnigen Märztag gestreift, und Jonesy wollte das nicht noch einmal erleben, auch wenn er hier eher austeilte als einsteckte.

3
    Es wunderte ihn schon, dass ihm der Aufenthalt im Camp immer noch gefiel, in mancher Hinsicht sogar besser als früher. Die Nächte durchzuquatschen – über Bücher und Politik und Kram aus ihrer Kindheit und ihre Zukunftspläne. Sie waren noch keine vierzig, noch jung genug, um Pläne zu haben, sogar viele Pläne, und die alten Bande waren noch stark.
    Und auch die Tage waren schön – die Stunden auf dem Hochsitz, wenn er ganz allein war. Er nahm einen Schlafsack mit und schlüpfte bis zur Taille hinein, wenn ihm kalt wurde, hatte ein Buch und einen Walkman dabei. Nach dem ersten Tag hatte er aufgehört, Kassetten zu hören, und hatte bemerkt, dass ihm die Musik des Waldes besser gefiel – das seidige Rauschen des Winds in den Kieferbäumen, der rostige Ruf der Krähen. Er las ein wenig, trank Kaffee, las dann wieder ein bisschen, kämpfte sich manchmal aus dem Schlafsack (der so rot wie ein Bremslicht war) und pinkelte vom Hochsitz hinab. Er war ein Mann mit einer großen Familie und einem großen Kollegenkreis, ein geselliger Mensch, der die vielfältigen Beziehungen genoss, die ihm Familie, Kollegen (und Studenten natürlich, dieser unerschöpfliche Strom von Studenten) boten und der es allen recht machen konnte. Und erst hier draußen und hier oben merkte er, dass die Stille durchaus auch noch ihren Reiz hatte, und zwar einen starken. Es war, als würde man nach langer Trennung einem alten Freund wieder begegnen.
    »Bist du dir sicher, dass du da rauf willst?«, hatte ihn Henry gestern Morgen gefragt. »Du bist auch herzlich eingeladen, mit mir auf die Pirsch zu gehen. Wir werden dein Bein auch nicht überanstrengen – versprochen.«
    »Lass ihn«, hatte Pete gesagt. »Er ist gern da oben. Nicht wahr, Jones-Boy?«
    »Irgendwie schon«, hatte er geantwortet, nicht willens, mehr zu sagen – wie sehr er es in Wirklichkeit genoss, zum Beispiel. Manches wagte man selbst seinen besten Freunden nicht anzuvertrauen. Und manches wussten die besten Freunde ja ohnehin.
    »Ich sag dir was«, hatte der Biber gesagt. Er nahm einen Bleistift, steckte ihn sich in den Mund und nagte daran herum – seine älteste, liebste Angewohnheit schon seit der ersten Klasse. »Ich mag es, wenn ich wiederkomme und du da oben bist – wie ein Matrose im Mastkorb in einem dieser blöden Hornblower-Bücher. Du hältst Ausschau.«
    »Schiff

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