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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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stimmte. Gleich hinter dieser Tür. Er wartete im Erinnerungslager, auf das er jetzt uneingeschränkten Zugriff hatte.
    Jonesy spreizte die schwitzenden Finger auf dem Holz der Tür. Das Haar fiel ihm wieder in die Augen, aber das bemerkte er kaum. »Mr. Gray«, flüsterte er. »Bist du da draußen? Du bist doch da, nicht wahr?«
    Keine Antwort, aber natürlich war Mr. Gray da. Er stand da, hatte den unbehaarten primitiven Kopf geneigt, starrte mit seinen glasschwarzen Augen den Türknauf an und lauerte darauf, dass er sich drehte. Lauerte darauf, dass Jonesy herausgestürzt kam. Und dann …?
    Schluss mit den lästigen menschlichen Gedanken. Schluss mit den störenden menschlichen Gefühlen.
    Schluss mit Jonesy.
    »Willst du mich ausräuchern, Mr. Gray?«
    Immer noch keine Antwort. Aber Jonesy brauchte auch keine. Mr. Gray hatte ja schließlich Zugriff auf alle Regler, nicht wahr? Und also auch auf die, die seine Temperatur bestimmten. Wie heiß hatte er sie eingestellt? Jonesy wusste es nicht, er wusste nur, dass es hier immer noch heißer wurde. Seine Brust war wie zugeschnürt, und er bekam kaum noch Luft. Seine Schläfen pochten.
    Das Fenster. Was ist mit dem Fenster?
    Plötzlich voller Hoffnung, drehte sich Jonesy in diese Richtung und kehrte der Tür den Rücken zu. Das Fenster war jetzt dunkel – so viel zum Thema: ewiger Oktobernachmittag 1978 –, und die Auffahrt, die seitlich um das Gebäude der Gebrüder Tracker führte, war unter Schneewehen begraben. Nie im Leben, auch nicht als Kind, hatte Schnee so verlockend auf Jonesy gewirkt. Er sah sich selbst wie Errol Flynn in einem alten Piratenfilm durchs Fenster hechten, sah sich in den Schnee stürzen und sich darin wälzen, sein brennendes Gesicht in die gesegnete weiße Kälte tauchen –
    Ja, und dann das Gefühl, wie sich Mr. Grays Hände um seinen Hals schlossen. Er hatte zwar nur drei Finger an den Händen, aber sie waren bestimmt kräftig; sie würden ihn im Handumdrehen erwürgen. Wenn er auch nur ein Loch ins Fenster schlug, um etwas kalte Nachtluft hereinzulassen, würde Mr. Gray hereinschlüpfen und sich wie ein Vampir über ihn hermachen. Denn dieser Teil der Jonesy-Welt war nicht sicher. Es war erobertes Gebiet.
    Ich habe eigentlich gar keine Wahl. Ich bin so oder so erledigt.
    »Komm raus«, sagte Mr. Gray schließlich durch die Tür, und zwar mit Jonesys Stimme. »Ich mach es schnell. Du willst da drin doch nicht vor Hitze vergehen … oder etwa doch?«
    Jonesy sah plötzlich den Schreibtisch, der da vor dem Fenster stand, den Schreibtisch, der noch gar nicht hier gewesen war, als er sich zum ersten Mal in diesem Zimmer wiedergefunden hatte. Bevor er eingeschlafen war, war es ein schlichtes Holzding gewesen, so eine Billigausführung, wie man sie bei Office Depot kaufte, wenn man sparen musste. Irgendwann – er wusste nicht mehr, wann genau – war ein Telefon dazugekommen. Nur ein schlichtes schwarzes Telefon, so zweckmäßig und schmucklos wie der Schreibtisch auch.
    Jetzt sah er, dass es ein Rollschreibtisch aus Eiche war, genau wie der daheim in seinem Arbeitszimmer in Brookline. Und das Telefon war ein blaues Trimline, genau wie das in seinem Büro am Emerson College. Er wischte sich eine Handvoll pisswarmen Schweiß von der Stirn, und da sah er, was vorhin seinen Kopf gestreift hatte.
    Es war der Traumfänger.
    Der Traumfänger aus ihrer Hütte.
    »Ach du Scheiße«, flüsterte er. »Ich richte mich hier ja ein.«
    Natürlich tat er das, und warum auch nicht? Richteten nicht sogar Häftlinge im Todestrakt ihre Zellen ein? Und wenn er im Schlaf einen Schreibtisch und einen Traumfänger und ein Trimline-Telefon herbeischaffen konnte, dann konnte er ja vielleicht auch –
    Jonesy schloss die Augen und konzentrierte sich. Er versuchte, vor seinem geistigen Auge ein Bild seines Arbeitszimmers in Brookline erstehen zu lassen. Für einen Moment fiel ihm das schwer, denn eine Frage störte ihn dabei: Wenn seine Erinnerungen da draußen waren, wie konnte er sie dann hier drin heraufbeschwören? Die Lösung, das ging ihm auf, war wahrscheinlich ganz einfach. Seine Erinnerungen waren immer noch in seinem Kopf, wo sie immer gewesen waren. Die Kartons im Lager waren etwas, was Henry eine Externalisierung genannt hätte, seine Art, sich all das vorzustellen, worauf Mr. Gray zurückgreifen konnte.
    Egal. Konzentriere dich auf das, was jetzt zu tun ist. Dein Arbeitszimmer in Brookline. Zeig dir dein Arbeitszimmer in Brookline.
    »Was machst du da?«,

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