Duddits - Dreamcatcher
Henry, Owen und Duddits kamen eben an der Ausfahrt 9 vorbei, über die man in die Gemeinden Falmouth, Cumberland und Jerusalem’s Lot gelangte; Kurtz, Freddy und Perlmutter (Perlmutter schwoll wieder der Bauch an; er lehnte sich stöhnend zurück und gab giftige Gase von sich – vielleicht eine Art kritischer Kommentar zur Ansprache des Großen Weißen Vaters) befanden sich auf der Höhe der Ausfahrt nach Bowdoinham auf dem 295, ein Stückchen nördlich von Brunswick. Alle drei Fahrzeuge wären einfach auszumachen gewesen, weil so viele Leute irgendwo gehalten hatten, um dem Präsidenten bei seiner beruhigenden, von einer eingeblendeten Landkarte unterstützten Ansprache zuzusehen.
Aus Jonesys bewundernswert gut geordneten Erinnerungen schöpfend, fuhr Mr. Gray, gleich nachdem er die Grenze zwischen New Hampshire und Massachusetts überquert hatte, vom Highway 95 auf den Highway 495 ab … und dirigiert von Duddits, der Jonesys Spur als leuchtend gelbe Linie sah, folgte ihm der erste Humvee. Hinter der Stadt Marlborough würde Mr. Gray dann vom Highway 495 auf den Interstate Highway 90 wechseln, eine der großen Ost-West-Verkehrsachsen der USA. An der Ausfahrt 8 waren, laut Jonesys Erinnerungen, Palmer, Amherst und Ware ausgeschildert. Und sechs Meilen hinter Ware lag der Quabbin-Stausee.
Schacht zwölf war genau das Richtige für ihn; das sagte ihm Jonesy, und Jonesy konnte ihn nicht belügen, so gern er es auch getan hätte. Am Winsor-Damm an der Südseite des Sees hatte die Wasserbehörde von Massachusetts ein Büro. So weit konnte Jonesy ihn bringen, und Mr. Gray würde dann den Rest erledigen.
9
Jonesy ertrug es nicht mehr, an seinem Schreibtisch zu sitzen – hätte er noch länger dort gesessen, dann hätte er unweigerlich losgeflennt. Vom Flennen wäre er dann zweifellos zum Stammeln übergegangen und vom Stammeln zum hemmungslosen Jammern, und wenn er erst mal angefangen hätte zu jammern, dann hätte er wahrscheinlich die Tür aufgerissen und wäre Mr. Gray in die Arme gelaufen, komplett durchgeknallt und bereit, sich vernichten zu lassen.
Wo sind wir denn jetzt überhaupt?, fragte er sich. Schon in Marlborough? Fahren wir schon vom 495 auf den 90 ab? Das könnte hinkommen.
Er hatte aber keine Möglichkeit, es festzustellen, da die Fensterläden geschlossen waren. Jonesy sah zum Fenster hinüber und musste, trotz allem, grinsen. Statt GIB AUF, KOMM RAUS stand da nun das, was ihm dazu eingefallen war: ERGIB DICH, DOROTHY.
Das habe ich getan, dachte er. Und ich könnte auch bestimmt diese verdammten Fensterläden verschwinden lassen, wenn ich nur wollte.
Na und? Dann würde Mr. Gray neue anbringen oder vielleicht die Fensterscheiben einfach mit schwarzer Farbe übertünchen. Wenn er nicht wollte, dass Jonesy hinausschaute, dann würde Jonesy auch nichts sehen. Mr. Gray kontrollierte eben seine gesamte Außenseite. Mr. Gray war der Kopf geplatzt, er hatte sich direkt vor Jonesys Augen in Sporen verwandelt – aus Dr. Jekyll war Mr. Byrus geworden –, und Jonesy hatte diese Sporen eingeatmet. Und jetzt war Mr. Gray …
Er ist wie ein Schmerz, dachte Jonesy, Mr. Gray ist wie ein Schmerz in meinem Hirn.
Etwas in ihm sträubte sich gegen diese Ansicht, und ihm kam ein genau entgegengesetzter Gedanke – nein, du bringst das durcheinander: du bist aus deinem Körper geflohen –, aber er tat das ab. Das war pseudo-intuitiver Quatsch, eine Sinnestäuschung, nicht viel anders als bei einem Dürstenden in der Wüste, der eine Fata Morgana sah. Er war hier eingesperrt. Mr. Gray war da draußen, aß Bacon und hatte das Sagen. Und wenn sich Jonesy etwas anderes einredete, fiel er im November auf einen Aprilscherz herein.
Ich muss ihn irgendwie bremsen. Wenn ich ihn schon nicht ganz aufhalten kann, gibt es dann nicht wenigstens irgendeine Möglichkeit, wie ich ihm einen Knüppel zwischen die Beine werfen kann?
Er stand auf und ging einmal an den vier Wänden seines Büros entlang. Es waren vierunddreißig Schritte. Eine verdammt kurze Rundreise. Aber immer noch größer als eine durchschnittliche Gefängniszelle; die Jungs in Walpole, Danvers oder Shawshank würden sich förmlich die Finger danach lecken. In der Mitte des Zimmers tanzte der Traumfänger und drehte sich. Ein Teil von Jonesys Geist zählte Schritte; ein anderer rätselte, wie nahe sie der Ausfahrt 8 schon waren.
Einunddreißig, zweiunddreißig, dreiunddreißig, vierunddreißig. Und da stand er wieder hinter seinem Stuhl. Start frei zur
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