Duddits - Dreamcatcher
Rücken verschränkt wie ein Kapitän, der das Vorderdeck abschritt … oder nach einer Meuterei in der Arrestzelle seines Schiffs auf und ab ging. Ja, das wohl eher.
Als Geschichtslehrer war Jonesy von Haus aus neugierig. Am Tag nach der Wanderung war er in die Bibliothek gegangen, hatte in der Lokalzeitung nach der Geschichte gesucht und sie auch gefunden. Der Artikel war kurz und enthielt nur wenige Details – Berichte über Gartenpartys in der gleichen Zeitung waren viel ausführlicher –, aber ihr Postbote wusste mehr und erzählte es ihnen gern. Der alte Mr. Beckwith. Jonesy erinnerte sich immer noch an seine letzten Worte, ehe er seinen blauweißen Postwagen wieder in Gang setzte und darin die Osborne Road hinunter zu dem nächsten einsamen Briefkasten fuhr; auf der Südseite des Sees gab es im Sommer viel Post auszutragen. Jonesy ging zurück zum Cottage, ihrem unerwarteten Geschenk, und dachte, dass es kein Wunder sei, dass Lorrington nicht über die Russin hatte reden wollen.
Denn das war keine Werbung.
10
Ihr Name ist entweder Ilena oder Elaina Timarova – da gibt es unterschiedliche Angaben. Sie taucht im Frühherbst 1995 in einem Ford Escort mit einem diskreten gelben Hertz-Aufkleber auf der Windschutzscheibe in Ware auf. Der Wagen erweist sich als gestohlen, und die ebenso aus der Luft gegriffene wie pikante Story macht die Runde, sie habe sich ihn am Flughafen von Boston besorgt, sei durch sexuelle Gefälligkeiten in den Besitz der Schlüssel gelangt. Wer weiß. Es hätte sich so abgespielt haben können.
Wie dem auch sei – sie ist eindeutig geistig verwirrt, nicht ganz richtig im Kopf. Jemand erinnert sich, dass sie eine Schramme an der Wange hatte, ein anderer, dass ihre Bluse falsch geknöpft war. Sie spricht kaum englisch, gerade genug, um zu bekommen, was sie will: eine Wegbeschreibung zum Quabbin-Stausee. Die notiert sie (auf russisch) auf einem Zettel. An diesem Abend, als die Straße über den Winsor-Damm geschlossen wird, wird der Ford Escort an einem Picknickareal in Goodnough Dike gesehen. Als der Wagen am nächsten Morgen immer noch dort steht, machen sich zwei Männer von den Wasserwerken (und Lorrington war vielleicht einer von ihnen) und zwei Förster auf die Suche nach ihr.
Zwei Meilen die East Street hinauf finden sie ihre Schuhe. Zwei Meilen weiter, wo die Asphaltierung der East Street endet (die sich am Ostufer des Sees durch die Wildnis schlängelt und eigentlich gar keine richtige Straße ist, sondern eher die hiesige Form der Deep Cut Road), finden sie ihre Bluse … Oh-oh. Zwei Meilen hinter der weggeworfenen Bluse endet die East Street, und ein ausgefurchter Holzfällerweg – die Fitzpatrick Road – führt vom Seeufer fort. Der Suchtrupp will eben auf diesem Weg weitergehen, als einer von ihnen in Ufernähe etwas Rosafarbenes an einem Ast hängen sieht. Es erweist sich als der BH der Dame.
Der Boden hier ist feucht, aber nicht morastig, und sie können sowohl ihren Fußspuren als auch einer Spur von Zweigen folgen, die sie beim Gehen abgebrochen haben muss, und sie wollen sich gar nicht ausmalen, welche Verletzungen sich ihre nackte Haut dabei zugezogen hat. Doch der Beweis für diese Verletzungen ist vorhanden, und sie müssen es sehen, ob sie wollen oder nicht: Das Blut auf den Zweigen und Steinen ist ein Teil ihrer Spur.
Eine Meile hinter dem Ende der East Street kommen sie zu einem Steingebäude, das auf einer Felsnase steht. Es erhebt sich am Mount Pomery über das Ostufer des Sees. Dieses Gebäude beherbergt den Schacht zwölf und ist mit dem Auto nur von Norden aus zu erreichen. Und warum Ilena oder Elaina nicht von Norden aus hierher gekommen ist, wird immer rätselhaft bleiben.
Das Aquädukt, das am Quabbin-See beginnt, verläuft fünfundsechzig Meilen schnurstracks ostwärts bis nach Boston und nimmt dabei aus den Reservoiren Wachusett und Sudbury noch weiteres Wasser auf (diese beiden Quellen sind nicht so ergiebig und nicht ganz so rein). Es gibt keine Pumpen; das Rohr des Aquädukts, das vier Meter hoch und drei Meter breit ist, erledigt das von allein. Die Bostoner Wasserversorgung beruht auf schlichter Schwerkraftspeisung, einer Technik, welche die Ägypter schon vor 3500 Jahren eingesetzt haben. Zwischen der Erdoberfläche und dem unterirdischen Aquädukt verlaufen insgesamt zwölf vertikale Schächte. Sie dienen der Luftversorgung und dem Druckausgleich. Sie dienen auch als Zugang für den Fall, dass das Aquädukt verstopft. Schacht zwölf, der
Weitere Kostenlose Bücher