Duddits - Dreamcatcher
schwach aus. »Das ist wirklich verrückt«, sagte er und ging weiter.
2
Er kam ohne Schwierigkeiten über das gerade Stück und halb den Hügel hinauf. Er fing eben an, etwas schneller zu gehen und seinem Knie ein wenig zu vertrauen, als es – ätsch-bätsch, Blödmann, reingelegt! – wieder blockierte und sich anfühlte wie glühendes Roheisen. Er ging zu Boden und quetschte Flüche durch zusammengebissene Zähne.
Erst als er dort fluchend im Schnee saß, bemerkte er, dass hier etwas sehr Merkwürdiges vor sich ging. Ein kapitaler Hirschbock ging links an ihm vorbei, ohne dem Menschen, vor dem er in jeder anderen Situation sofort geflohen wäre, mehr als nur einen knappen Seitenblick zuzuwerfen. Und zwischen den Beinen des Hirsches flitzte ein Eichhörnchen mit.
Pete saß da im sich lichtenden Schneefall – große Flocken segelten in Schichten herab, die wie Spitze aussahen –, das Bein ausgestreckt und mit offenem Mund. Über die Straße kamen weitere Hirsche und Rehe und auch andere Tiere, und sie gingen und hoppelten, als würden sie vor einer Katastrophe fliehen. Es kamen immer mehr aus dem Wald, ein richtiger Zug nach Osten.
»Wo wollt ihr denn hin?«, fragte er einen Hasen, der mit angelegten Ohren an ihm vorbeihoppelte. »Großer Bingo-Abend im Reservatskasino? Oder zum Casting für einen neuen Disneyfilm? Habt ihr …«
Er verstummte, und schlagartig bekam er einen trockenen Mund, der sich anfühlte, als stünde er unter Strom. Ein Schwarzbär, fett gefressen für den Winterschlaf, trottete links neben ihm durch den lichten, nachwachsenden Wald. Er hatte den Kopf gesenkt, und sein Rumpf pendelte hin und her, und obwohl er Pete nicht eines Blickes würdigte, raubte er ihm doch zum ersten Mal jegliche Illusionen darüber, welche Stellung ihm hier in den großen Wäldern des Nordens zukam. Er war nichts weiter als ein Haufen leckeres weißes Fleisch, der eher zufällig noch am Leben war. Ohne sein Gewehr war er schutzloser als das Eichhörnchen, das er zwischen den Hufen des Hirschs hatte flitzen sehen – wenn ein Bär es sah, konnte das Eichhörnchen wenigstens noch auf den nächsten Baum flüchten, hinauf bis in die lichte Krone, wohin ihm der Bär nicht folgen konnte. Dass ihn dieser Bär kaum angeguckt hatte, beruhigte Pete nicht sonderlich. Wo einer war, da waren auch noch mehr, und der nächste war vielleicht aufmerksamer.
Sobald er sich sicher sein konnte, dass der Bär verschwunden war, stand Pete mühsam und mit pochendem Herzen wieder auf. Er hatte die blöde furzende Frau zwar allein gelassen, aber welchen Schutz hätte er ihr schon groß bieten können, wenn ein Bär sie angegriffen hätte? Er musste an sein Gewehr gelangen. Und Henrys auch mitnehmen, wenn er es tragen konnte. Für die nächsten fünf Minuten, bis er auf der Hügelkuppe angelangt war, dachte Pete zuerst an Feuerkraft und dann erst an Bier. Als er jedoch vorsichtig den Hang hinabging, war er längst wieder beim Thema Bier angekommen. Pack es in die Tüte, und häng dir die Tüte über die Schulter. Und auf dem Rückweg wird nicht stehen geblieben und getrunken. Er würde sich erst eines gönnen, wenn er wieder am Lagerfeuer saß. Das würde dann sein Belohnungsbier, und es gab nichts Besseres als ein Bier zur Belohnung.
Du bist Alkoholiker. Das ist dir klar, oder? Ein beschissener Alkoholiker.
Ja, und was bedeutete das? Dass man nichts falsch machen konnte. Dass man nicht verantwortlich war, wenn man eine schon halb im Koma liegende Frau im Wald allein ließ, um Bier zu holen. Und wenn er zurück beim Unterstand war, musste er daran denken, die leeren Flaschen ganz weit in den Wald zu werfen. Aber Henry würde es trotzdem merken. Wie sie einander offenbar immer alles Mögliche anmerkten, wenn sie zusammen waren. Aber Gedankenlesen hin oder her – man musste schon ziemlich früh aufstehen, wenn man Henry Devlin hinters Licht führen wollte.
Pete dachte aber, dass ihn Henry wahrscheinlich mit dem Bier nicht nerven würde. Es sei denn, Pete beschloss, die Zeit sei reif, darüber zu sprechen, Henry vielleicht um Hilfe zu bitten. Was Pete zum passenden Zeitpunkt vielleicht auch tun würde. Es gefiel ihm überhaupt nicht, wie er sich zurzeit fühlte; und dass er die Frau allein zurückgelassen hatte, besagte wenig Schmeichelhaftes über Peter Moore. Aber Henry … auch mit Henry stimmte in diesem November etwas nicht. Pete wusste nicht, ob Biber das mitbekam, aber Jonesy merkte es ganz bestimmt. Henry war irgendwie
Weitere Kostenlose Bücher