Duddits - Dreamcatcher
kräht er.
»Gut«, sagt Henry. Er nimmt eine Hand des Jungen, und Jonesy nimmt die andere, und gemeinsam helfen sie ihm hoch. Die Maple Lane ist nur drei Ecken weiter, und sie können in zehn Minuten da sein, immer vorausgesetzt, Richie und seine Freunde lauern ihnen nicht auf. »Wir bringen dich nach Hause, Duddits. Deine Mama macht sich bestimmt schon Sorgen.«
Doch erst schickt Henry Pete zur Ecke des Gebäudes, die Auffahrt auszuspähen. Als Pete wiederkommt und meldet, die Luft sei rein, gehen sie bis dorthin. Sobald sie erst mal auf dem Bürgersteig sind, wo man sie sehen kann, sind sie in Sicherheit. Aber bis dahin gehen sie kein Risiko ein. Henry schickt Pete ein zweites Mal los. Er soll die ganze Strecke bis zur Straße auskundschaften und pfeifen, wenn alles roger ist.
»Die sin weck«, sagt Duddits.
»Kann schon sein«, sagt Henry. »Aber mir ist wohler, wenn Pete mal nachsieht.«
Duddits steht da ganz gelassen zwischen ihnen und betrachtet die Bilder auf seiner Lunchbox, während Pete loszieht, um sich umzusehen. Henry hat keine Skrupel, ihn loszuschicken. Er hat mit Petes Schnelligkeit nicht übertrieben; wenn Richie und seine Freunde versuchen sollten, ihn zu überfallen, wird Pete seinen Düsenantrieb anwerfen, und dann haben sie nicht den Hauch einer Chance.
»Magst du die Serie, Mann?«, fragt Biber und nimmt ihm die Lunchbox ab. Er spricht ganz ruhig mit ihm. Henry schaut interessiert zu und wartet gespannt, ob der behinderte Junge nach seiner Lunchbox schreien wird. Er schreit nicht.
»Inn Uuhbih-Duhs!«, sagt der behinderte Junge. Er hat goldenes, lockiges Haar. Henry wüsste immer noch nicht zu sagen, wie alt er ist.
»Ich weiß, das sind die Scooby-Doos«, sagt der Biber geduldig. »Aber die ziehen sich nie um. Da hat Pete recht. Ich meine, das ist doch arschkrass, oder etwa nicht?«
»Eenau!« Er streckt die Hände aus, und Biber gibt ihm die Lunchbox wieder. Der behinderte Junge schließt die Schachtel in die Arme und strahlt sie dann alle an. Er hat ein schönes Lächeln, denkt Henry und lächelt jetzt selber. Man muss dabei unwillkürlich daran denken, wie kalt einem ist, wenn man längere Zeit im Meer geschwommen ist, und wie warm einem wird, wenn man sich draußen dann ein Handtuch um die knochigen Schultern und den gänsehäutigen Rücken wickelt.
Jonesy lächelt ebenfalls. »Duddits«, sagt er. »Welcher von denen ist denn der Hund?«
Der behinderte Junge schaut ihn an, immer noch lächelnd, jetzt aber auch verdutzt.
»Der Hund «, sagt Henry. »Welcher ist der Hund? «
Jetzt schaut der Junge Henry an und wirkt noch verdutzter.
»Welcher ist Scooby, Duddits?«, fragt Biber, und Duddits’ Gesicht klart sich auf. Er zeigt auf den Hund.
»Uuhbie! Uuhbie-uuhbie-duh! Er is ein Hunt!«
Sie brechen alle in schallendes Gelächter aus, und Duddits lacht auch, und dann pfeift Pete. Sie gehen los und haben schon gut ein Viertel der Auffahrt hinter sich, als Jonesy sagt: »Wartet! Wartet mal!«
Er läuft zu einem der schmutzigen Bürofenster und späht hinein, schirmt dabei die Augen mit den Händen ab, und mit einem Mal fällt Henry wieder ein, weshalb sie eigentlich hier sind. Wegen der Muschi von dieser Tina Jean Soundso. Das alles kommt ihm vor, als wäre es tausend Jahre her.
Zehn Sekunden später ruft Jonesy: »Henry! Biber! Kommt her! Lasst den Jungen da!«
Biber läuft hin und stellt sich neben Jonesy. Henry wendet sich an den behinderten Jungen und sagt: »Bleib hier stehen, Duddits. Du bleibst mit deiner Lunchbox einfach hier, ja?«
Duddits sieht mit leuchtenden grünen Augen zu ihm hoch. Die Lunchbox hält er vor der Brust. Dann nickt er, und Henry läuft zu seinen Freunden an das Fenster. Sie müssen sich aneinanderdrängen, um alle sehen zu können, und Biber grummelt, jemand würde ihm auf die Füße treten, aber schließlich gelingt es ihnen. Eine Minute später oder so gesellt sich Pete, der vergebens am Bürgersteig auf sie gewartet hat, zu ihnen und schiebt sein Gesicht zwischen Henrys und Jonesys Schultern durch. Hier stehen vier Jungs an einem schmutzigen Bürofenster, drei schirmen die Augen gegen den Sonnenschein mit den Händen ab, und ein fünfter Junge steht hinter ihnen auf der mit Unkraut überwucherten Auffahrt, hält seine Lunchbox vor der schmalen Brust und schaut zum weißen Himmel hoch, wo die Sonne versucht, durch die Wolken zu dringen. Hinter der schmutzigen Fensterscheibe befindet sich ein leer stehendes Zimmer. Über den Boden verstreut
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