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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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nur Blutflecken und -spritzer zu sehen, aber als sie der Toilette neben der Badewanne näher kamen, liefen die Flecken zu einem roten Rinnsal zusammen. Scharlachrote Kapillaren breiteten sich davon aus. Auf den Fliesen zeigten sich nun auch die Abdrücke ihrer Stiefel, die weder Jonesy noch Biber ausgezogen hatten. Auf dem Duschvorhang aus blauem Vinyl waren vier verschmierte Fingerabdrücke, und Jonesy dachte: Er muss sich wohl am Vorhang festgehalten haben, als er sich zum Hinsetzen umgedreht hat.
    Ja, aber das war nicht das Schlimme. Viel schlimmer war, was Jonesy vor seinem geistigen Auge sah: wie McCarthy über die himmelblauen Fliesen getrippelt war, eine Hand am Hintern, und versucht hatte, etwas drinzubehalten.
    »Ach du Scheiße! «, sagte Biber wieder, schluchzte förmlich. »Ich will das nicht sehen, Jonesy – Mann, ich kann das nicht sehen.«
    »Wir müssen.« Er hörte sich selbst wie aus weiter Ferne sprechen. »Wir schaffen das, Biber. Wenn wir damals Richie Grenadeau und seinen Freunden gewachsen waren, dann stehen wir das hier auch durch.«
    »Ich weiß nicht, Mann, ich weiß nicht …«
    Jonesy war sich da, ehrlich gesagt, auch nicht so sicher, nahm aber Biber an der Hand. Bibers Finger packten panisch fest zu, und gemeinsam gingen sie einen Schritt weiter. Jonesy versuchte dem Blut auszuweichen, aber das war schwierig; überall war Blut. Und nicht nur Blut.
    »Jonesy«, sagte Biber mit trockener, fast flüsternder Stimme. »Siehst du das Zeug da am Duschvorhang?«
    »Ja.« Auf den verschmierten Fingerabdrücken wuchsen Klümpchen rötlich goldenen Schimmels wie Mehltau. Auf dem Boden, nicht in dem breiten Blutrinnsal, sondern auf den schmalen Fugenstreifen, war noch mehr davon zu sehen.
    »Was ist das?«
    »Keine Ahnung«, sagte Jonesy. »Das gleiche Zeug, das er auch im Gesicht hat, schätze ich mal. Sei jetzt mal still.« Dann: »Mr. McCarthy? … Rick?«
    McCarthy, der dort auf der Toilette saß, reagierte nicht. Aus irgendeinem Grund hatte er sich seine orangefarbene Mütze wieder aufgesetzt, deren Schirm nun etwas schräg vorragte. Davon abgesehen war er nackt. Sein Kinn lag, wie um eine Denkerpose zu parodieren, auf seinem Brustbein (aber vielleicht war es ja auch keine Parodie, wer wusste das schon?). Seine Augen waren fast geschlossen. Die Hände hielt er über seinem Unterleib zusammengepresst. Blut lief in stetem Strom am Toilettenbecken hinab, aber an McCarthy selbst konnte Jonesy kein Blut entdecken.
    Dafür sah er etwas anderes: Die Haut über McCarthys Bauch hing in zwei schlaffen Lappen herab. Dieser Anblick erinnerte Jonesy an etwas, und einen Moment später fiel es ihm ein: So hatte Carlas Bauch immer ausgesehen, wenn sie gerade eines ihrer vier Kinder zur Welt gebracht hatte. Über McCarthys Hüfte, wo ein schmaler Rettungsring zu sehen war (und das Fleisch etwas ausgeleiert wirkte), war die Haut nur gerötet. Quer über den Bauch aber war sie in schmalen Striemen aufgeplatzt. Wenn McCarthy mit irgendwas schwanger gegangen war, dann musste es irgendeine Art von Parasit gewesen sein, ein Bandwurm oder Hakenwurm oder so etwas Ähnliches. Nur dass dort etwas aus seinem vergossenen Blut wuchs, und was hatte er noch gesagt, als er in Jonesys Bett gelegen und sich die Decke unters Kinn gezogen hatte? Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Und Jonesy wünschte sich, er hätte nie auf dieses Anklopfen reagiert. Ja, er wünschte sich, er hätte McCarthy erschossen. Ja. Jetzt sah er da klarer. Er verfügte jetzt über die Hellsichtigkeit, die einen bei abgrundtiefem Entsetzen manchmal befällt, und in diesem Zustand wünschte er, er hätte McCarthy eine Kugel verpasst, bevor er die orangefarbene Mütze und die Warnweste gesehen hatte. Es hätte nicht schaden können und wäre vielleicht sogar gut gewesen.
    »Von wegen – ich stehe an der Tür und klopfe an«, murmelte Jonesy.
    »Jonesy? Lebt er noch?«
    »Ich weiß nicht.«
    Jonesy ging noch einen Schritt vor und spürte, wie Biber seine Hand losließ; der Biber war McCarthy offenbar so nah gekommen, wie er nur konnte.
    »Rick?«, fragte Jonesy mit gedämpfter Stimme. Es war ein Weck-das-Baby-nicht-auf-Ton. Ein Ton wie bei einer Totenwache. »Rick, sind Sie …«
    Unter dem Mann dort auf der Toilette erscholl ein lauter, widerlich feucht klingender Furz, und augenblicklich war das Zimmer erfüllt vom Gestank von Exkrementen und Modellbaukleber, der einem Tränen in die Augen trieb. Jonesy wunderte sich, dass sich der Duschvorhang

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