Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
»Und?«
»Antonio hat in den letzten Monaten nichts unversucht gelassen, Ser Lorenzo in diesem Punkt Konkurrenz zu machen.«
Ich fühlte mich plötzlich versucht zu lachen. »Ich habe gehört, dass Pratini sich mit Plänen trägt, in Rom eine Filiale zu eröffnen. Ich ahnte nicht, was wirklich dahinter steckt.«
»Nun, so ist es jedenfalls. Vor diesem Anschlag war es nicht mehr als eine ernsthafte Herausforderung, zu der Familie Medici in geschäftliche Konkurrenz treten zu wollen. Jetzt ist es auf einmal Hochverrat – und umso mehr in dieser Konstellation.«
»Sollte sich herausstellen, dass Pratini zu Jana eine geschäftliche Verbindung hatte und diese mit der Verschwörung in Zusammenhang gebracht wird…«, begann ich.
»… hilft es ihm auch nichts, dass Lorenzo seine Schwester Beatrice anbetet«, vollendete Gutswalter knapp. »Die signoria macht ihm den Prozess, und Lorenzo wird keinen Finger krumm machen, um ihm zu helfen.«
»So hätte ich Lorenzo de’ Medici nicht eingeschätzt.«
»Er wird sich nicht aus Rache weigern, nein! Da missversteht Ihr etwas. Er wird sich heraushalten, weil er auf alle Fälle demonstrieren wird, dass die Gesetze für alle gleich sind. Ich bin sicher, er würde eher seine Mutter der Justiz ausliefern, als für sich und seine Familie Vergünstigungen zu erwirken, die unverdient sind.«
»Wenn sich also herausstellen würde, dass Jana schuldig wäre…«
»… hat Antonio nur eine Chance: Er muss sich zerknirscht geben und der signoria stellen, noch bevor sie es gestanden hat. Und gestehen wird sie, wenn man sie der peinlichen Befragung unterzieht, so viel ist sicher.«
Ich gab mir alle Mühe, über seine letzte Bemerkung hinwegzuhören. Er schien sie selbst unpassend zu finden, denn er errötete und sah auf den Becher in seinen Fingern hinab.
»Das ist also Euer Motiv«, sagte ich nach einer Weile.
Gutswalter sah nicht auf. »Ganz genau«, erklärte er dem Becher.
»Wisst Ihr was? Ich glaube Euch nicht.«
Er brummte etwas. Schließlich hob er kurz den Blick und wich meinen Augen sofort wieder aus. »Nein«, gab er dann zu. »Wenn Jana unschuldig ist, muss sie so schnell wie möglich aus dem Gefängnis geholt werden. Ihr könnt Euch vielleicht denken, dass jemand wie ich einen Horror davor verspürt, dass jemand unschuldig eingesperrt ist.«
»Um die Schuld abzutragen, die sich seit Matteos Einsatz für Euch selbst auf Eure Schultern geladen hat?«
»So würde ein Florentiner denken«, wehrte er ab.
Ich erwiderte nichts, aber ich erinnerte mich daran, wie er bei unserer ersten Begegnung im Fondaco zwischen den Kaufleuten der Zunftniederlassung gestanden hatte mit seinen feinen Kleidern und so ausgesehen hatte, als wäre er schon immer hier gewesen. Zugehörigkeit ist nicht nur eine Sache von Äußerlichkeiten. Ich sah ihm zu, wie er uns beiden noch einen Trester einschenkte und dem Wirt dann die Flasche zurückgab, und trank ihm zu, als er seinen Becher zum zweiten Mal hob.
Er hatte einen Punkt mit Bedacht vermieden, und ich hatte ihn mit Bedacht nicht danach gefragt. Ich wollte ihn nicht darauf aufmerksam machen, dass er mir aufgefallen war. Was hatte Antonio Pratini von einer Verurteilung Janas zu befürchten, wenn es keinerlei geschäftliche Verbindung zwischen den beiden gab?
4.
I
n der Nähe von Vespuccis geplündertem Haus stieß ich zu meiner Überraschung auf Johann Kleinschmidt. Seine Haare waren wirr, und er sah blass und verschwitzt aus und wie jemand, der seit Stunden in der Stadt herumirrt. Ich musste ihn anrufen, damit er überhaupt auf mich aufmerksam wurde; dann eilte er mit großen Sprüngen über die Gasse zu mir herüber. Ich dachte, er würde mich umarmen und vor allen Leuten abküssen, aber im letzten Moment hielt er sich zurück.
»O mein Gott, Herr Bernward«, keuchte er und bekreuzigte sich, »bin ich froh, Euch endlich zu finden.«
»Was ist denn los?«
»Ein Trupp Bewaffneter ist in den Fondaco gekommen. Sie haben alles durchgewühlt.«
»Ich weiß.«
»Woher?«
»Ich versteckte mich in einem Garten oberhalb des Fondaco. Ich sah sie wieder gehen und sprach danach mit Ferdinand Boehl.«
»Aber warum seid Ihr dann nicht sofort in den Fondaco gekommen? Wo wart Ihr überhaupt die ganze Zeit? Seit heute Mittag suche ich Euch. Ich habe mir solche Sorgen gemacht… Kreuz und quer durch die Stadt bin ich gerannt!«
»Wenn du hättest wissen wollen, ob man mich verhaftet hat, hättest du nur beim gonfaloniere oder im
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