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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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versuchte, den immer noch stolpernden Gutswalter auf die Beine zu stellen. Ich erwartete jeden Moment, dass Männer mit Armbrüsten auf ihnen erscheinen und Lorenzo den Weg freischießen würden.
    »Wir müssen hier raus!«, brüllte ich Gutswalter an.
    Die aufgebrachte Menge strömte von allen Seiten her auf ihr Zentrum zu; Lorenzos Soldaten kämpften sich in der Gegenrichtung hindurch, und wir folgten ihnen, sobald sie die ersten Schritte getan hatten. Das Alarmläuten der Kirche lockte weitere Gruppen von Bewaffneten herbei, die sich von außen an Lorenzos Leibwächter heranarbeiteten und förmlich eine Gasse für ihn freischaufelten. Ich erhielt einen Stoß in den Rücken und fuhr herum. Dort, wo das Zentrum der Meute gewesen war, wichen die Menschen auseinander und drängelten ebenso heftig davon weg, wie sie eben noch versucht hatten, es zu erreichen.
    Sie waren alle Bürger; Patrizier, Kaufleute, Handwerker, und keine Soldaten. Sie hatten das Schlimmste mit den beiden Männern im Sinn gehabt, doch als sie es beinahe vollbracht hatten, flohen sie vor Abscheu vor ihrem Werk. Soldaten wäre der Anblick nicht fremd gewesen; ihnen jedoch drehte sich der Magen um und vertrieb die Raserei so plötzlich, wie sie gekommen war.
    Das Grölen, das im Zentrum der Menge seinen Anfang genommen hatte, begann auch dort wieder in sich zusammenfallen, und trotz des hektischen Läutens teilte es sich den von außen immer noch Herandrängenden mit. Die Bewegung verlangsamte sich und erstarrte wie das wütende Geräusch, das die Menschen ausstießen, und auch die Männer, die Lorenzo vorwärts drängten, hielten inne. Lorenzo schüttelte seine Bewacher ab und richtete sich auf, und seine Blicke folgten den Augenpaaren, die alle betroffen auf die Stelle starrten, an der die beiden Priester unter die Menge geraten waren. Nach einem fassungslosen Moment bekreuzigte er sich.
    Der Mittelpunkt dessen, wovor sie alle davonstrebten, war Stefano di Bagnone. Man konnte ihn daran erkennen, dass der andere Körper zweifelsfrei der von Antonio Maffei war. Die Menge an Blut war immens. Er war fast nackt, aber er war ohnehin eine Obszönität der Gewalt. Einer der Männer, die von ihm davonstolperten, starrte fassungslos auf seine Hände und auf seine Kleidung, die vor Blut starrten, dann erbrach er sich lautlos. Ich hörte jemanden einen fassungslosen Fluch ausstoßen, und jemand anderer stolperte an mir vorbei, die blutbesudelten Hände krampfhaft vor den Mund gepresst.
    Die Glocken von San Lorenzo läuteten ihren sinnlos gewordenen Alarm in die Stille über dem Platz. Der Glöckner schien ebenso gebannt herunterzustarren und vergessen zu haben, dass er die Macht hatte, das Geläut zu beenden. Rudolf Gutswalter flüsterte: »Mein Gott, mein Gott, mein Gott«; Lorenzos Leibwächter betrachteten den Toten ohne Regung und stießen ihren Herrn dann wieder vorwärts, aus der Menge heraus und in die Deckung eines guten Dutzend weiterer Bewaffneter, die ihn ohne viel Federlesens davonzerrten und in seinem palazzo in Sicherheit brachten.
    Weitere Bewaffnete drängelten in die Mitte der Menschenmenge hinein, stießen die bleich gewordenen Zuschauer beiseite, drängten sich an Gutswalter und mir vorbei und packten den Mann mit dem Blut an den Händen; packten ein Dutzend weiterer ebenso verschmutzter, ebenso schreckgelähmter Florentiner und stellten sie einfach zur Seite, als wären sie große Puppen. Sie traten Antonio Maffei in die Rippen und ernteten ein leises Stöhnen, und zwei von ihnen richteten den Priester ohne großes Zartgefühl auf. Er konnte nicht allein stehen; sie schleppten ihn davon. Ich hörte die ersten Leute fassungslos schluchzen und den Umstand beweinen, dass zwei frevelhafte Meuchelmörder sie dazu gebracht hatten, ihre Menschlichkeit für ein paar fatale Augenblicke zu verlieren und der Bestie freies Spiel zu gewähren.
    Wenn ich nur etwas schneller gewesen wäre, hätte ich Lorenzo de’ Medici um Gnade für Jana bitten können. Die Gelegenheit dazu war niemals so günstig gewesen. – Glaubst du wirklich, er hätte dir zugehört?
    »Habt Ihr so etwas schon einmal gesehen?«, fragte Gutswalter mit zitternder Stimme.
    »Nein«, sagte ich.
    Immer mehr Soldaten eilten jetzt auf den Platz und bildeten einen lückenhaften Kordon, der Stefano di Bagnones Überreste von den Gaffern trennte; andere scheuchten die wie erstarrt stehende Menge auseinander. Aus der Kirche quoll die Trauergemeinde und versuchte, auch etwas zu sehen;

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