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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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diejenigen, denen es gelang, zuckten entsetzt zurück. Rudolf Gutswalter atmete tief ein.
    »Es gibt Gelegenheiten, da sollte man einen Schnaps trinken«, stellte er fest. »Dies ist so eine. Ich lade Euch ein.«
    »Ich glaube nicht, dass ich…«
    »Keine Widerrede. Es mag ja sein, dass Ihr so eine… eine Schweinerei auch noch nie gesehen habt, doch sie berührt Euch anscheinend deutlich weniger als mich. Ich weiß nicht, was Ihr damals in Augsburg getan habt, aber Gewalt war Euch sicherlich ebenso wenig fremd wie der Anblick von Behördenspitzeln. Ich, ich bin nur ein Kaufmann, und das meiste Blut, das ich bisher gesehen habe, wurde beim Schlachten von Hühnern vergossen. Ich muss mit jemandem darüber reden. Ihr könnt mich jetzt nicht allein davongehen lassen.«
     
    Er brachte mich nicht weit; schon ein paar Gassen weiter nördlich, an einem Platz vor einem weitläufigen Klosterbau, zerrte er mich zu einem dunklen Wirtshaus, in dem die Normalität eben begann, von den Neuigkeiten auf dem Platz vor San Lorenzo abgelöst zu werden, und die ersten Neugierigen in der Hoffnung hinaustraten, dass es noch etwas zu gaffen gab. Vor der Klosterpforte standen zwei Männer in der Tracht der Dominikaner, spähten unschlüssig den Wirtshausbesuchern nach, die die Via Larga hinabeilten und schienen sich zu fragen, ob die Anwesenheit ihres Ordens dort vielleicht vonnöten war. Der Wirt brachte uns eine Steinbesserflasche und zwei Becher und erkundigte sich danach, was geschehen war. Gutswalter gab ihm wortkarg Auskunft. Der Wirt zuckte mit den Achseln und sah aus, als würde er bedauern, dass er nicht dabei gewesen war. Gutswalter schenkte die Becher voll; der Hals der Flasche schlug gegen ihre Ränder, und mindestens ein halber Becher Flüssigkeit benetzte die Platte des langen Tisches.
    »Das ist ein Trester«, sagte Gutswalter und hob den Becher. »Und nicht mal ein schlechter. Trinkt.« Er wartete nicht darauf, dass ich meinen Becher hob; er stürzte den Inhalt des seinen hinunter und schnappte nach Luft. Seine Augen tränten, und er ließ einen Seufzer hören.
    Der Schnaps schmeckte entfernt nach Wein und Trauben und brannte weniger, als ich erwartet hatte. Ich nahm einen kleinen Schluck und sah Gutswalter an. Er zuckte mit den Achseln und legte die Hände auf die Tischplatte.
    »Ich wollte, ich wäre nicht auf dem verdammten Platz gewesen«, sagte er unglücklich. »Dieser Anblick wird mich nächtelang verfolgen.«
    »Warum seid Ihr mir dorthin gefolgt?«
    »Oh, das bin ich nicht. Ich ging in Vertretung Antonios, wenn man so will. Er hat sich im letzten Augenblick dafür entschieden, Umberto Vellutis Bestattung beizuwohnen. Er konnte nicht verhindern, dass man Velluti vor den Stadttoren verscharrt wie jeden beliebigen Selbstmörder, und so wollte er Vellutis Witwe wenigstens selbst etwas Trost spenden. Ich wusste es nicht, als ich Euch auf die Trauerzeremonie aufmerksam machte, sonst hätte ich Euch selbstverständlich schon in der Bank meine Begleitung angetragen. Als ich auf den Platz kam, habe ich mich natürlich nach Euch umgeschaut. Ihr wart nicht zu übersehen. Es dauerte nur eine Weile, bis ich mich zu Euch durchgekämpft hatte. Welche Tätigkeit, sagtet Ihr, habt Ihr damals für den Bischof in Augsburg ausgeübt?«
    »Ich war sein Untersuchungsbeamter«, sagte ich unwillig. »Dem Bischof gehörten ausgedehnte Ländereien mit Pächterhöfen und kleinen Dörfern. Er war der Grundherr. Ich war dafür zuständig, dass seine Gesetze eingehalten wurden, und vertrat ihn in weltlichen Dingen, wenn er als päpstlicher Legat unterwegs war.«
    »Was für ein Mensch war er?«
    »Er war klug, spöttisch und scharfzüngig. Er war bei den meisten gefürchtet. Man musste den Menschen unter dieser Schale erst entdecken. Es gab eine lange Zeit, da wäre ich für ihn bedenkenlos ins Feuer gegangen.«
    »Später nicht mehr?«
    Ich seufzte. »Wir sind als Feinde voneinander geschieden. Er hinderte mich daran, Gerechtigkeit in einem Mordfall zu üben.«
    »Weshalb tat er das?«
    »Politisches Kalkül.«
    »War er im Unrecht?«
    »Nein«, brummte ich. »Wenn ich die Geschichte vor ein Gericht gebracht hätte, hätte ich verhindert, dass ein mehrjähriger Krieg endlich beendet werden konnte.« Ich starrte ihn an. »Damals wäre es mir egal gewesen. Ich verwechselte Gerechtigkeit mit Rache. Ein alter Mann und zwei junge Mädchen waren ermordet worden. Eine davon war mir fast so teuer wie meine eigene Tochter.«
    »So habt Ihr den Fall

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