Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
Vom Netzwerk:
Situation auch aussehen mag.«
    »Ausgerechnet Velluti. Selbst Pratini hielt nicht viel von ihm.«
    »Pratini? Wieso er?«
    »Er bezahlte seinen Lebensunterhalt. Und gab ihm den Auftrag, sein Findelhaus zu bauen. Wusstest du das nicht?«
    Jana lehnte sich verdutzt zurück. »Nein«, rief sie. »Ich hatte keine Ahnung, dass zwischen beiden eine Verbindung besteht.« Ihre Brauen zogen sich zusammen. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Wer in Person hat dir Velluti empfohlen?«
    »Niemand in Person. Es war eine kurze Botschaft, die mit einer Brieftaube übermittelt wurde. Das Siegel der Baumeisterzunft war darauf zu erkennen. Das war alles.«
    »Wusstest du, welcher Fraktion deine Geschäftspartner angehörten. Pazzi oder Medici?«
    »Ach woher. Die einzigen Fraktionen in Florenz, von denen ich jemals vorher gehört hatte, waren die Welfen und die Ghibellinen. Und das ist…«
    »… mehr als hundert Jahre her. Ja, mir ging es ähnlich.«
    »Boscoli gehörte wohl der falschen Seite an«, sagte Jana düster. »Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit sie ihn zum ersten Mal befragten.«
    »Alepri auch. Er hat sich in seinem Haus verbarrikadiert und zuerst seiner Familie und zuletzt sich selbst den Tod gegeben.«
    »O mein Gott«, keuchte Jana. »Ich wusste das alles nicht. Und Velluti?«
    »Ist ebenfalls tot.«
    »Auch er ein Pazzi-Anhänger?«, flüsterte Jana bedrückt.
    »Nein. Es heißt, er hat sich ertränkt.«
    »Es heißt…?«
    »Ich glaube, dass er ermordet wurde.«
    »Ermordet. Weil ich mit ihm Kontakt aufgenommen habe.«
    Ich nickte und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. »Oder ich«, sagte ich und beschloss, ihr zu verschweigen, dass auch Lapo Rucellai das Leben verloren hatte. Ihretwegen. Oder meinetwegen. Es genügte ohnehin, unser stockendes Gespräch zum Ersterben zu bringen. Jana brütete mit finsterer Stirn vor sich hin. Ich sah zu Piero Vespucci hinüber, der sich in die Decke gehüllt hatte, die Benozzo Cerchi nicht mehr brauchte, und im Fieber schauerte; und meine Gedanken nahmen wieder ihren unnützen Kreislauf auf, welchen Fehler ich gemacht haben könnte.
     
    Als sich die Kerkertür öffnete nach jener Zeitspanne, die mir rückwirkend plötzlich zu kurz erschien, wurde mir klar, welchen Faktor ich in meine Überlegungen nicht mit einbezogen hatte: den Ablauf der gerichtlichen Untersuchungen, der sich nicht daran hielt, ob ich einen Brief an Lorenzo de’ Medici geschrieben hatte, der diesen in das Gefängnis locken sollte, bevor die peinliche Befragung begann. Zwei Gefängniswärter kamen herein, sahen sich um und stapften dann zielstrebig auf Jana und mich zu. »Gianna Delugosch«, sagte einer von ihnen und deutete auf Jana. Jana schreckte hoch und starrte den Mann an. Er winkte mit dem Kopf zur Zellentür und bückte sich gleichzeitig, um sie am Arm zu packen und hochzuziehen.
    »Moment«, sagte ich und sah, wie Jana blass wurde. »Uno momento. Was geht hier vor?«
    Der Wärter knurrte etwas und stieß mich leicht mit der Stiefelspitze an. Ich schluckte schwer und bemerkte, wie das Entsetzen in mir hochstieg. Jana kam auf die Beine. Der Blick, den sie mir zuwarf, versetzte mich vollends in Panik. Ich rappelte mich ebenfalls hoch und fiel dem Wärter in den Arm. Seine Augen wurden groß, und er sah von seinem Arm zu mir. Sein Gesicht versteinerte. Ich spürte einen Ruck an meinem Wams und setzte mich hart auf den Boden. Der zweite Wächter trat über mich und setzte mir die Spitze seines kurzen Spießes an die Kehle.
    »Nein«, krächzte ich, »nein. Ihr müsst warten. Ihr könnt sie nicht mitnehmen.«
    Der erste Wärter begann, Jana zur Zellentür zu zerren. Sie stolperte. Ihr Blick ließ mich nicht los. Der zweite Wärter trat einen Schritt zurück und beobachtete mich scharf. Ich warf mich herum, bis ich zu Leonardo dem Schreiber sehen konnte.
    »Bitte«, sagte ich mit trockenem Mund auf Latein, »bitte. Ihr müsst übersetzen. Ich…«
    Leonardo sah mich traurig an. Dann wich er meinem Blick aus und schüttelte den Kopf. Es bedeutete nicht, dass er Angst hatte; es bedeutete, dass es hoffnungslos war.
    »Peter«, sagte Jana. Sie war schon fast an der Tür. Ihr Gesicht war so weiß, dass es in der Dunkelheit leuchtete. Der zweite Wächter folgte seinem Kameraden. Er befürchtete nicht, dass ich aufspringen und versuchen würde, ihnen Jana mit Gewalt zu entreißen. Er wusste, dass ich wusste, dass es ohnehin keinen Sinn machte. Ich gab Janas Blick zurück. Sie sagte etwas, aber ich konnte es nicht

Weitere Kostenlose Bücher