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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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sie aus Florenz vertreiben, und dann habe er ihr Vertrauen gebrochen und sei ihrer Liebe nicht würdig. Er zitterte, als sie ihn gestern Abend hinausführten. Als er zurückkam, zitterte er nicht mehr. ›Ich habe nicht gestanden, Jana‹, flüsterte er nur. ›Ich bin jetzt frei. Und meine Lieben sind es auch.‹ Er sagte noch viel, doch das war das Einzige, was ich verstand, weil ich vor Zorn und Trauer nicht mehr hören konnte, was Leonardo übersetzte. Ich denke, er versuchte, mir zu sagen, dass ich an jemanden glauben solle, den ich liebe, wenn ich meinen Gang in die Folterkammer anträte. Ich konnte keinen Trost aus seinen Worten ziehen; ich fühle mich erst jetzt getröstet, seit du hier bist. Und doch – wenn ich wüsste, dass du in Sicherheit wärst, würde es mir noch leichter, in die Folterkammer zu gehen.«
    »Jana, keiner von uns wird die Folter erleiden. Ich habe mich nicht deshalb gestellt, weil ich keinen Ausweg mehr wusste. Ich bin hier, um dich und Julia zu befreien.«
     
    Die Zeit im Kerker hat ihren eigenen Verlauf. Zur Untätigkeit verdammt, mit Menschen zusammengesperrt, mit denen einen nichts außer der Angst verbindet, hat man sie vor sich wie einen kompakten, vollkommen undurchdringlichen Block; man hängt wie eine Fliege an seiner Außenseite und hat das Gefühl, dass man sich nie von dem Fleck wegbewegen wird, an dem man sich befindet. Die eigenen Gedanken sind keine Hilfe, denn sie laufen nicht frei, sondern drehen sich im Kreis und beschäftigen sich ausschließlich mit der Frage, wie man die Zeit dazu bringen könnte, schneller zu verrinnen. Ein zum Tode Verurteilter, der auf seine Hinrichtung wartet, mag von einem noch schlimmeren Gefühl heimgesucht werden: Er wartet sehnlichst darauf, dass die Zeit vergeht, und fürchtet nichts so sehr wie den Augenblick, an dem sie für ihn endgültig abgelaufen ist. Tritt dann ein Ereignis ein, auf das man gewartet hat, ist man erstaunt, wie schnell es gekommen ist; und vielleicht findet man sich in der merkwürdigen Lage wieder, dass man sich gewünscht hätte, die Zeit wäre noch langsamer vergangen.
    Ich entwickelte all diese Symptome schon nach kurzer Zeit. Da es zu viel zu bereden gab, beredeten Jana und ich nichts mehr. Ich fühlte die Feuchtigkeit durch das Stroh dringen und die Wärme von Janas Körper an meiner Seite und versuchte, mir darüber klar zu werden, welchen Fehler ich in meinem Plan gemacht haben könnte. Ich fieberte dem Augenblick, in dem Tredittore meinen Brief an Lorenzo de’ Medici abliefern würde, ebenso entgegen, wie ich ihn fürchtete, und es war mir absolut unmöglich, auch nur annähernd zu sagen, wie viel Zeit bis dahin noch verstreichen müsste. Das Licht aus der kleinen Fensteröffnung war gleichmäßig hell, und da sie zu weit oben lag, um auf dem Boden des Kerkers Schatten zu erzeugen, konnte man auch daran nicht erkennen, wie und ob die Zeit voranschritt. Nach einer Weile kam ich auf den Gedanken, die Schläge der Kirchturmglocken zu verfolgen, doch die Gefängnismauern dämpften die Geräusche von draußen fast vollkommen, und was hereindrang, wurde von dem Husten und Rascheln und den dumpfen Unterhaltungen und den sonstigen Geräuschen der anderen Gefangenen übertönt.
    »Die Transaktionen an Velluti und Alepri«, sagte ich schließlich, obwohl es nicht nötig war und ich das Gefühl hatte, Janas Plan stand mir so klar vor Augen wie ihr selbst. »Alepri sollte als Notar dienen, um die Geschäftspapiere abzusegnen und die nötigen Kontrakte vorzubereiten; Velluti sollte der Architekt sein.«
    Jana nickte. »Francesco Noris Bankhaus war dazu ausersehen, sämtliche weiteren Transaktionen durchzuführen und als Bürge zu fungieren.«
    »Wie bist du auf diese Leute gekommen?«
    »Ich habe mich noch in Venedig erkundigt. Noris Bankhaus hatte selbst dort einen guten Ruf. Alepri wurde mir von dem venezianischen Notar genannt, der für mich die Kontrakte mit dem Gewürzgeschäft aufsetzte; er kannte ihn zwar nicht persönlich, aber er sagte, er habe Einfluss auf den Markt in Florenz.«
    »Das hatte er«, sagte ich trocken. »Lorenzo de’ Medici hat ihn schon seit längerer Zeit von seinem Posten entbunden. Und wie bist du auf Velluti gekommen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn irgendjemand in Venedig kannte.«
    »Genauso wie auf Boscoli und Cerchi: Ich habe mich bei der Zunft in Florenz erkundigt. Die Zünfte stehen in allen Städten und Republiken miteinander in Verbindung, ganz gleich, wie die politische

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