Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
erklärt, dass es nicht meine Geschichte ist.«
Lorenzos Kopf ruckte herum zu Pratini, der eine Hand wütend zur Faust ballte. »Wollt Ihr mit dieser Farce schon wieder anfangen?«, rief Pratini und funkelte mich aufgebracht an. »Ihr habt den Bogen schon im Gefängnis damit überspannt.«
»So wart Ihr also in Begleitung von Ser Lorenzo in jenem Raum neben der Verhörkammer? Umso besser; dann könnt Ihr Euch lange Vorreden ersparen.«
»Es gibt nichts, was hier vor aller Ohren ausgebreitet werden sollte.«
»Vor aller Ohren?«, sagte ich erstaunt. »Jana hat ein Recht darauf zu erfahren, wie Ihr mit ihr gespielt habt; ich weiß es ohnehin; und Ser Lorenzo werdet Ihr gewiss nicht als jedermann bezeichnen wollen.«
»Ich bin dieser Künste überdrüssig«, brummte Lorenzo de’ Medici. »Ich habe keine Zeit zuzuhören, wie Ser Bernward versucht, Ser Pratini so lange zu reizen, bis er mit seiner Geschichte herausplatzt. Wenn Ihr Herren vergessen habt, dass es um den Mord an meinem Bruder geht, dann will ich Euch hiermit daran erinnern. Wenn Ihr etwas zu sagen habt, Ser Pratini, das beweisen kann, dass diese beiden unschuldig an der Verschwörung sind, dann lasst es hören. Ihr seid ein hoch geschätzter Bürger dieser Stadt, und es ist Eure Pflicht, auch so zu handeln. Was Ihr sagt, wird diesen Raum ohnehin nie verlassen.«
»Es geht niemanden etwas an«, sagte Pratini halsstarrig. Ich erkannte, dass er sich genötigt fühlte, die ganze Geschichte zu erzählen, angefangen bei seinem schrecklichen Fehler während des Austritts aus dem Kloster. Für ihn gehörte die Geschichte zusammen; er konnte sich nicht vorstellen, dass der letzte Teil allein auch einen Sinn machte. Vielleicht tat er das auch nicht, wenn man die Vorgeschichte nicht kannte. Ich kannte sie. Für Lorenzo de’ Medici war sie nicht interessant; und um Janas Leben zu retten, war sie völlig unerheblich. Ich sagte: »Ser Pratini hat sich aus persönlichen Gründen entschlossen, ein Waisenhaus zu errichten.« Pratini fuhr herum und öffnete den Mund. »Eines, das auch nach dem Ableben seines Stifters weiter bestehen wird«, fügte ich rasch hinzu. »An dieser Stelle sollten wir einsetzen.«
Pratini klappte den Mund wieder zu und musterte mich. Ich gab seinen Blick offen zurück. Er schnaubte unzufrieden, aber er betrat die Brücke, die ich ihm gebaut hatte.
»Es ist zugleich ein Findelhaus und eine Werkstatt«, erklärte er widerwillig. »Die Kinder erhalten eine vernünftige Ausbildung als Maler, Bildhauer oder Goldschmiede. Wenn sie mit ihrer Ausbildung fertig sind, haben sie die Verpflichtung, fünf Jahre lang weiter für das Findelhaus zu arbeiten. Diese Arbeiten werden an Interessenten verkauft oder sind Auftragsstücke. Der Verdienst kommt bis auf einen geringen Teil dem Findelhaus zugute. Davon wird es sich erhalten.«
»Ihr wollt die Kinder arbeiten lassen?«, fragte Lorenzo erstaunt.
»Ser Lorenzo, in allen Findelhäusern müssen die Kinder arbeiten. Selbst in Eurem. Der Unterschied ist nur, dass in meinem Findelhaus die Verdienste dieser Arbeit nicht in die Taschen der Verwalter fließen, sondern den Kindern und dem Fortbestehen des Hauses zugute kommen. Außerdem erhalten sie eine Ausbildung, für die sie anderswo den Lehrpfennig bezahlen müssten.«
»Also gut. Weiter.«
»Es gibt nicht so viel zu erzählen, im Gegensatz zu dem, was uns Ser Bernward weismachen will. Diese Frau, Jana Dlugosz, die mich bereits in Venedig bei einem Geschäft übervorteilte, versuchte, mich auch bei dieser Sache auszustechen und die Errichtung des Findelhauses mit einigen meiner Geschäftskonkurrenten selbst zu finanzieren, um sich nachher an den Gewinnen zu bereichern…«
»Natürlich wollte ich, dass ein Teil des Verdienstes auf die Konten meines Hauses geht!«, rief Jana ungehalten. »Aber ich hätte das Geschäft mit den Arbeiten der Kinder so aufgezogen, dass sich die Gewinne vervielfacht hätten. Es wäre sogar für die fertig ausgebildeten Künstler ein Anteil übrig geblieben, nicht nur für das Findelhaus…«
»Das ist gar nicht von Belang, Jana«, unterbrach ich sie. »Lass ihn fertig erzählen.«
»Er stellt meine Motive ganz anders dar…«
»Lass ihn fertig erzählen«, wiederholte ich ruhig. Sie machte ein verdrossenes Gesicht. Lorenzo forderte Pratini mit einer Handbewegung zum Weitersprechen auf.
»Die Geschichte ist fast zu Ende«, knurrte dieser. »Ich bemerkte, was sie vorhatte, und beschloss, sie weitermachen zu lassen.
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