Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Lorenzos fünf Mann starke Bewachung, die vor dem Gefängnistor auf ihn gewartet hatte – traten durch einen kurzen Bogengang in einen zweigeteilten Innenhof, dessen vordere Hälfte wie der Kreuzgang eines Klosters von Arkaden umgeben war und bis unter das Hausdach hinaufreichte; seine hintere Hälfte war ein heiterer, sonnendurchfluteter Garten, der anders als der im Hause Pratini nicht von einer Werkstatt dominiert wurde, sondern ausschließlich der Kontemplation zwischen Blumen und Hecken vorbehalten war. In den Arkaden standen auf Podesten oder Sockeln Büsten und Statuen, die auf mich als Laien ebenso hervorragend gearbeitet wirkten wie jede Figur, die ich in den Kirchen und auf den Plätzen dieser Stadt gesehen hatte. Unter einer Arkade stand das Original des David von Donatello. Selbst Pratini vergaß für einen Augenblick seinen Grimm und drehte den Kopf hin und her, um Lorenzo de’ Medicis Prachtstücke zu bewundern. Vielleicht fiel ihm auch der Unterschied zu seiner eigenen Sammlung auf: Lorenzos Stücke in den Arkaden seines Innenhofs kündeten von der Freude ihres Besitzers, die Arbeiten betrachten und bewundern zu können, wann immer es ihn danach verlangte. Die Ansammlung der Arbeiten in Pratinis Arbeitszimmer zeugte nur von der Besessenheit des Kaufmanns, mit Gewalt eine neue Stufe der Bildhauerkunst erreichen zu wollen. Die Wände des Innenhofs waren bis hinauf zum Balkenwerk der Dachkonstruktion mit goldfarbenen Ranken auf tiefblauem Untergrund bemalt.
»Hier hinauf«, sagte Lorenzo und deutete auf eine Treppe, die an der rechten Seite des Innenhofs hochstieg. Sie führte uns in eine enge, hohe Kammer, die rundherum mit einem atemberaubenden Fresko bemalt war, einem Zug von blendend geschmückten Aristokraten und Fürsten, der sich durch eine Landschaft aus weißem Fels und dunkelfarbenem Hintergrund wand. Ich sah erst auf den zweiten Blick, dass der Raum eine Kapelle war. Lorenzo schickte seine Soldaten hinaus, dann trat er vor eine Seite des Freskos, auf der die Spitze des Zuges geradewegs von der Wand in die Kapelle hereinzutreten schien. Er betrachtete die Gestalt eines Knaben auf einem prächtig herausgeputzten Pferd.
»Das bin ich als Zwanzigjähriger«, sagte er und verzog das Gesicht zu einem Grinsen. »Tatsächlich ritt ich bei einem Turnier einmal ein Pferd, das dem hier ziemlich ähnlich sah. Alles andere ist eher unähnlich geraten. Das Porträt entspricht eher Giuliano. Er hielt sich auch mit der gleichen Grazie auf dem Pferderücken. Ich hänge eher darauf wie ein Sack Getreide.« Er seufzte und wandte sich um. »Ich habe bereits einige Porträts von Giuliano in Auftrag geben lassen, damit sein Andenken so gut wie möglich gewahrt bleibt. Für mich ist er in Ewigkeit hier festgehalten, der königliche junge Mann an der Spitze des Zuges der Heiligen Drei Könige. Und dabei hatte Benozzo Gozzoli gar nicht vor, ihn zu malen, als er das Fresko in Angriff nahm. So nahe standen wir uns, dass sein Gesicht Gestalt annahm, als Gozzoli meines zu schönen versuchte.«
»Ich verstehe Euren Schmerz«, sagte Jana, die als Erste das Schweigen brach, in ihrem vorsichtigen, umständlichen Latein.
Lorenzo antwortete ihr nicht. Er senkte den Kopf, und ich sah Tränen in seinen Augen glitzern, bevor er sich abwandte und so tat, als würde er das Fresko nochmals in Augenschein nehmen. Als er uns seine Aufmerksamkeit wieder zuwandte, war sein Gesicht unbewegt. Er deutete auf die gepolsterten Bänke.
»Setzt Euch«, sagte er. »Es ist Zeit, dass ich höre, was Ihr mir zu sagen habt.«
»Wollt Ihr keine Zeugen hinzubitten? Einen Richter, einen Notar? Euren Freund Frescobaldi?«, fragte ich.
»Nein. Wen sonst solltet Ihr zu überzeugen suchen als mich?«
»Wie Ihr wollt.«
Ich ließ Antonio Pratini den Vortritt, und so fand er sich zwischen Jana und mir wieder, was ihm sichtlich unangenehm war. Lorenzo blieb stehen. Das Fresko mit dem Zug der Heiligen Drei Könige hinter sich aufragend und die Gestalt des Knaben auf dem reich geschmückten Pferd, diesen Lorenzo-Giuliano, der dem schmeichlerisch bemühten Pinsel des Künstlers entsprungen war, mit seinen breiten Schultern verdeckend, faltete er die Hände vor dem Bauch und sah uns aufmerksam an. Ich erwiderte seinen Blick, ohne etwas zu sagen. Nach einer Weile wurde Antonio Pratini nervös und sah von Lorenzo zu mir und zurück. Als auch Lorenzo begann, die Stirn zu runzeln, zuckte ich mit den Schultern und sagte: »Ich habe schon im Gefängnis
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