Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
lesen«, knurrte er. »Oder sehe ich aus, als wäre ich zu dumm, Eure paar Zeilen zu verstehen?«
Ihn zu reizen und ihn zu beleidigen waren zwei Paar Stiefel. Ich antwortete nichts und versuchte, ein neutrales Gesicht zu machen. »Wenn Ihr ihn nicht anklagen wollt, warum habt Ihr ihn dann erwähnt?«
»Weil seine Aussage wichtig ist, um meine Version der Geschehnisse zu bestätigen.«
»Da Ihr darüber so sicher seid, wisst Ihr wahrscheinlich auch, welcher Art seine Aussage sein wird.«
»Selbstverständlich«, sagte ich.
»Weshalb gebt Ihr dann seine Aussage nicht selbst zum Besten?«
»Es ist ein Teil seiner Geschichte. Es wäre nicht richtig, wenn ich sie vor Euch ausbreiten würde. Er muss es selbst tun.«
Frescobaldi lachte kurz. »Und wenn er nicht will?«
»Holt ihn her und lasst ihn selbst entscheiden.«
»Peter«, sagte Jana drängend, »willst du allen Ernstes andeuten, Pratini habe unsere Rettung in der Hand?«
»Gewissermaßen will ich das, ja.«
»Mein Gott, wenn du irgendein Geheimnis von ihm weißt, das uns hier herausholen kann, dann gib es preis!«
Ich schüttelte den Kopf. »Das muss er tun.«
»Er hat doch überhaupt nicht die geringste Veranlassung, uns zu helfen. Nach der Sache in Venedig. Und wenn er erst erfährt, dass ich versucht habe, mich in seine Pläne mit der Werkstatt zu drängen…«
»Jana«, sagte ich ruhig, »das weiß er doch schon längst.«
»Würdet Ihr Eure Aufmerksamkeit vielleicht wieder mir zuwenden?«, fragte Frescobaldi sarkastisch. »Oder soll ich hinausgehen, um Euer Gespräch nicht zu stören?«
»Danke, aber das ist nicht nötig«, erklärte ich. Seine Wangen liefen rot an. Janas Blicke hingen immer noch ungläubig an meinen Lippen.
»Was willst du damit sagen?«, stieß sie hervor.
»Jana, wir müssen auf Pratini warten. Bitte hab Vertrauen.«
Sie schüttelte den Kopf. Ihre Schultern sanken herab. Ich seufzte und wandte meine Aufmerksamkeit wieder Battista Frescobaldi zu, der auf meiner letzten Erwiderung kaute wie ein aufgebrachtes Pferd auf der Trense. »Wo ist Euer Kollege hingegangen?«, fragte ich ihn.
»Er prüft etwas nach.«
»Ist vielleicht der Steinmetz endlich aufgetaucht, nach dem ich Euch geschickt habe?«
Er überlegte so lange, dass ich dachte, er hätte die Frage nicht verstanden. Sein Blick irrte von seinem verbliebenen Beisitzer zu den Löchern in der Wand, zu uns und wieder zurück. Dabei fuhr er sich mit der Zunge über die Vorderseiten der Zähne, dass es aussah, als kröchen seine Gedanken in greifbarer Form in seinem Mund herum und suchten nach einem Ausweg.
»So könnte man sagen«, erklärte er schließlich langsam.
»Wie könnte man noch sagen?«
Er schnaubte und kämpfte nochmals einen kleinen Kampf mit sich.
»Man könnte sagen, dass man seine Leiche in der Nähe der Porta San Niccolò gefunden hat – mit durchschnittener Kehle.«
Ich starrte ihn an. Damit hatte ich nicht gerechnet. In der ersten Überraschung drängte sich mir die Frage auf die Zunge, ob er seine Lederschürze oder sein Wams und den hohen Hut getragen hatte. Die verschlampte Vettel und die Gören würden vergeblich darauf warten, dass ihr Familienoberhaupt wieder zurückkam. Ich dachte an Lapo Rucellais Tochter und seine Witwe, die vielleicht weniger dringlich, aber ebenso vergeblich auf dessen Rückkehr gewartet hatten.
Die Tür in unserem Rücken öffnete sich erneut, und eine neue, krächzende Stimme sagte in fehlerfreiem Latein: »Es ist an der Zeit, das Morden endgültig zu beenden.« Ich drehte mich um. Lorenzo de’ Medici stand in der offenen Tür, gekleidet in einen hochgeschlossenen, schwarzen Überwurf mit weiten Ärmellöchern, der an seiner breitschultrigen Gestalt herabhing wie die Schwingen eines dunklen Vogels. Er sah mir ins Gesicht. Wenn er mich von unserer kurzen Begegnung auf dem Platz vor San Lorenzo wiedererkannte, ließ er es sich nicht anmerken. »Könnt Ihr das, Peter Bernward?«
»Nein, Ser Lorenzo. Das könnt nur Ihr. Ich kann Euch lediglich helfen, den Hebel dazu in die Hand zu nehmen.«
Er betrachtete mich scharf. Schließlich wandte er seinen Blick Frescobaldi zu und nickte, und Frescobaldi zog sich zu der Truhe zurück, ohne das Wort nochmals an Jana oder mich zu richten. Lorenzo lächelte Jana an, bevor er mir wieder seine Aufmerksamkeit schenkte.
»Warum habt Ihr Euch freiwillig in diese Gefahr begeben?«, fragte er. »Wegen Florenz, das nicht Eure Heimat ist und das Ihr offenbar nur von seiner schlechten
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