Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
»ich habe zwar kein Wort verstanden von dem, was Ihr gesagt habt, aber ich habe fast eine ganze Woche an einem Ort verbracht, wo bei jedem Türöffnen ein Unglücklicher zur Folterbank geführt oder davon wieder zurückgebracht wurde, und jedes Mal erwartete ich, dass ich nun meinen Gang würde antreten müssen. Schreit nicht herum; Ihr habt es nicht nötig.«
Tredittore starrte sie mit blutunterlaufenen Augen an, während langsam eine heiße Röte seinen Hals heraufkroch. Seine Fäuste wurden schlaff. Jana wandte sich mir zu. »Was hat er gemeint?«
»Ich will nicht, dass er es sagt«, stieß Tredittore hervor.
»Dann sagt es selbst«, knurrte ich.
Tredittore biss die Zähne zusammen. Dann bellte er in abgehackten Worten sein Geständnis über den Bestechungsversuch an Kardinal Riario heraus. Jana lauschte ihm mit zusammengekniffenen Augen. Pratini begann ebenfalls zu horchen, als der Name seiner Bank fiel, und sein Gesicht verzerrte sich vor Ärger, als ihm klar wurde, dass Tredittore seinen Namen missbraucht und sein Haus in Gefahr gebracht hatte. Tredittores Rede kam scheinbar mitten im Satz zum Halt, und er klappte seinen Mund hörbar wieder zu. Er hatte sich das Geständnis qualvoll abgerungen; ich sah die Schweißperlen auf seiner Stirn. Er brachte nicht mehr die Kraft auf, noch jemanden anzusehen. Er ließ die Hände steif an seiner Seite herabhängen und ballte sie wieder zu Fäusten, während er seine Blicke auf den Fußboden richtete. Jana verzog den Mund und schüttelte den Kopf und sah dabei zu Pratini, der ihre Geste unwillkürlich nachahmte. Ihre Blicke kreuzten sich für einen verblüfften Moment, bevor sie einander wieder auswichen. Lorenzo de’ Medici räusperte sich. Ich wusste, was er sagen wollte, und kam ihm zuvor.
»Ihr habt die Hauptsache vergessen«, sagte ich zu Tredittore.
»Was wäre das?«, murmelte er erschöpft.
»Das, was Ihr mir schon die ganze Zeit über sagen wolltet, jedoch aus Feigheit nicht über die Lippen gebracht habt. Das, weswegen Ihr sogar zu Jana ins Gefängnis gekommen seid und dann nicht den Mut gefunden habt, Ihr unter die Augen zu treten. Das, weswegen drei Unschuldige zu Tode gekommen sind und Eure Herrin seit Ostersonntag im Kerker sitzt. Die Sache mit den Briefen.«
Sein Kopf ruckte wieder nach oben, und diesmal war in seinem Gesicht klar zu lesen, dass er sah, wie der Henker das Beil über seinem Nacken erhob. »Das… ich… was wollt Ihr damit sagen…?«
»Ich habe heute bereits einmal die Geschichte eines anderen erzählt«, sagte ich unwillig. »Ich habe keine Lust, einem zweiten Maulfaulen auf die Sprünge zu helfen. Erzählt uns, was geschehen ist, oder ich erzähle es, und bei allen Heiligen, ich erzähle es so, dass keinerlei Sympathien für Euch mehr übrig bleiben.«
»Worauf wollt Ihr hinaus?«, fragte Lorenzo. »Welcher Teil Eurer Geschichte soll jetzt ans Licht finden?«
»Meine Briefe«, sagte Jana plötzlich. »Was habt Ihr damit gemacht?«
»Sie sind der Grund, weshalb du, Boscoli und Cerchi verhaftet wurden«, erklärte ich. »Sie hängen an der Schandtafel im Bargello. Jeder kann lesen, dass du mit den beiden darüber verhandeln wolltest, wie sich deine Geschäfte nach dem gelungenen Anschlag auf Ser Lorenzo und seinen Bruder entwickeln sollten.«
»Was?«, rief sie empört. »Ich habe nie dergleichen geschrieben.«
»Sie wurden gefälscht.«
Jana sprang auf; Pratini neben ihr zuckte zusammen. Wenn er nicht neben ihr gesessen wäre, wäre sie vermutlich aus der Bank herausgestürmt und hätte Stepan Tredittore die Augen ausgekratzt.
»Was habt Ihr getan?«, schrie sie ihn an. »Meine Briefe gefälscht, um mich ins Gefängnis zu bringen? Die Hand soll Euch aus dem Grab herauswachsen, Ihr mieser kleiner Betrüger!«
»Ich habe sie nicht gefälscht!«, schrie Tredittore zurück.
»Wer denn sonst?« Janas Augen gingen über, und sie begann vor Zorn zu weinen, ohne dass sich ihre Lautstärke wesentlich gedämpft hätte. »Habt Ihr nichts gefunden, mit dem Ihr mich bei meinen Vettern in Misskredit bringen konntet, dass Ihr mich mit einer Fälschung an den Galgen bringen wolltet?«
Tredittore warf mir einen verzweifelten Blick zu, während Jana sich bemühte, ihre Beherrschung wiederzufinden. Sie wischte sich so grob mit der Hand über das Gesicht, dass rote Striemen auf ihren Wangen zurückblieben.
»Ihr habt mir gegenüber sogar zugegeben, dass Ihr nichts gegen sie in der Hand hattet«, erinnerte ich ihn.
»Ich habe doch
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